Verlängerung der Waffenruhe offen, OSZE-Team fliegt nach Wien
Nach der Unterzeichnung des Abkommens mit der EU richtet sich der Blick der Weltöffentlichkeit wieder in den Osten der Ukraine. Präsident Poroschenko will die auslaufende Waffenruhe offenbar um 72 Stunden verlängern. Die Separatisten haben unterdessen in der Nacht ein entführtes OSZE-Team freigelassen. Dieses macht sich nun auf den Weg nach Wien.
Donezk, Wien – Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben vier OSZE-Beobachter freigelassen, die Ende Mai entführt worden waren. Die Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa seien frei und in der Nacht zum Freitag in einem Hotel in Donezk angekommen, teilten die Separatisten mit. Das OSZE-Büro in der Ukraine bestätigte die Freilassung der vier Beobachter.
Seitens des Büros zeigte sich zugleich „sehr besorgt um das Schicksal von vier weiteren Kollegen“, die ebenfalls Ende Mai in der Ostukraine entführt worden waren. Bei den Freigelassenen handle es sich um „einen Dänen, einen Türken, einen Schweizer und - wenn ich mich nicht irre - um einen Esten“, sagte der „Regierungschef“ der von den Separatisten ausgerufenen „Republik Donezk“, Alexander Borodai. Es seien keine Bedingungen für die Freilassung der Männer gestellt worden.
OSZE-Präsident Didier Burkhalter rief am Freitag in Genf zur „schnellen und bedingungslosen“ Freilassung der vier weiteren in der Region Luhansk vermissten OSZE-Mitarbeiter auf, die Ende Mai mutmaßlich von prorussischen Milizen entführt worden waren.
Freigelassenes Team fliegt nach Wien
Die in der Nacht auf Freitag freigelassenen OSZE-Beobachter werden aus der Ukraine geflogen. Ein Flugzeug im Auftrag der OSZE bringt die vier Personen nach Wien, wie das Schweizer Außenamt (EDA) mitteilte. Inzwischen habe der Schweizer Bundespräsident und OSZE-Vorsitzender Didier Burkhalter mit dem Schweizer Staatsangehörigen in der Gruppe telefoniert, schreibt das EDA.
Er habe sich nach seinem Befinden erkundigt und ihm die weitere Unterstützung seines Departements zugesichert. Die vier Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren in der ostukrainischen Region Lugansk (Luhansk) tätig gewesen und befanden sich seit Ende Mai in den Händen prorussischer Separatisten. Freitagnacht wurden die Geiseln der Obhut der OSZE übergeben.
Gemäß Angaben des Separatistenführers Alexander Borodaj wurden für die Freilassung keine Bedingungen gestellt. Das EDA bezeichnete den Gesundheitszustand des Schweizer Beobachters als „den Umständen entsprechend gut“.
Die OSZE spielt eine wichtige Rolle bei den Bemühungen um eine Entspannung der Situation in der Ostukraine, in der prorussische Separatisten die Unabhängigkeit von Kiew anstreben. Derzeit sind mehr als 250 zivile OSZE-Beobachter in der Ukraine aktiv.
Waffenruhe brüchig: Panzer der Separatisten zerstört
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte am Freitag vergangener Woche für die Ostukraine eine einwöchige Feuerpause seitens der Armee ausgerufen, der sich am Montag ein Teil der bewaffneten Separatisten anschloss. Die Waffenruhe endet am Freitagabend um 22 Uhr (Ortszeit, 21 Uhr MESZ).
Poroschenko will die Waffenruhe im Osten des Landes nun offenbar um drei Tage verlängern. Poroschenko wolle es so seinen Gegnern zu ermöglichen, bestimmte Forderungen wie die Freilassung von Geiseln zu erfüllen, teilten Diplomaten am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel mit. Sicher ist dies allerdings noch nicht. „Ich werde darüber nach meiner Rückkehr (nach Kiew) entscheiden“, sagte der Staatschef am Freitag in Brüssel nach Beratungen mit den EU-Staatenlenkern. Er müsse mit dem Verteidigungsminister, mit dem Vorsitzenden des Verteidigungsrates und anderen Verantwortlichen über diese Frage sprechen. „Aber die Frist läuft um 22.00 Uhr ab, und deshalb wird das heute entschieden“, sagte Poroschenko.
Trotz der aufrechten Waffenruhe ist es heute erneut zu vereinzelten Gefechten gekommen. Bei Schusswechseln nahe der Separatistenhochburg Slawjansk hätten Regierungseinheiten einen Kampfpanzer der Aufständischen zerstört, teilte Innenminister Arsen Awakow am Freitag in Kiew mit. In der Großstadt Donezk besetzten militante Gruppen nach fast siebenstündigen Gefechten einen Stützpunkt der Nationalgarde. Mehrere Soldaten seien verletzt worden, hieß es.
Der Westen drängte beide Seiten in den vergangenen Tagen massiv zu einer Verlängerung der Waffenruhe.
EU-Gipfel setzt Moskau Frist bis MontagDer EU-Gipfel hat von Russland und den Separatisten in der Ukraine bis Montag konkrete Schritte zur Deeskalation in der Ukraine-Krise gefordert. Die Staats- und Regierungschefs behielten sich in Hinblick auf Sanktionen vor, „für jegliche weitere bedeutende restriktive Maßnahmen wieder zusammenzukommen“. Der Rat werde die Lage bewerten.
Der EU-Gipfel „erwartet, dass bis Montag, 30. Juni, die folgenden Schritte gemacht werden“, heißt es in der Erklärung des Gipfels. Eine Einigung über einen von der OSZE überwachten Überprüfungsmechanismus für den Waffenstillstand und für eine wirksame Grenzkontrolle, eine Rückkehr der ukrainischen Stellen zu den drei Grenzposten Izvarino, Dolzhanskiy und Krasnopartizansk, die Freilassung von OSZE-Beobachtern sowie den Start von „substanziellen“ Verhandlungen über Präsident Poroschenkos Friedensplan werden konkret genannt. (APA/AFP/dpa)