Natur

Die Schule für Lebensretter

Er riskierte sein Leben für andere. Heuer starb der Lawinenhund Sam. Aber er hat einen jungen Nachfolger – Gismo geht bei Daniel Thönig in die Schule der Lebensretter.

Von Matthias Reichle

Landeck –„Sam war ein super Typ“, zehn Jahre sind er und Daniel Thönig enge Partner gewesen – 24 Stunden Seite an Seite. Und plötzlich war er nicht mehr da, erzählt der Bergretter am Küchentisch. Anfang des Jahres starb der Landecker Lawinenhund und Lebensretter an Krebs. Für Thönig, den Bezirksreferenten und Ausbilder der Lawinenhundestaffel Tirol in Landeck, sind bis heute viele wichtige Erinnerungen an den Vierbeiner geknüpft – „nicht weil wir innige Freunde waren, sondern zwei Individuen, die lange Zeit viel miteinander erlebt haben“.

68 Einsätze meisterten sie gemeinsam. Darunter auch brutale Ereignisse, die an die Grenzen der physischen und psychischen Belastbarkeit gingen. Sam war zur Stelle, wenn Tourengeher unter einer Lawine begraben wurden oder wenn Wanderer nach einem Schlechtwettereinbruch nicht mehr weiterwussten oder verletzt waren.

Der Landecker Lawinenhund starb heuer Ende Jänner, zwei Tage nach seinem zehnten Geburtstag – „Metastasen“, betont Thönig. Bei der Operation hatte sich herausgestellt, dass er keine Chance hat – „wir haben ihn nicht mehr aufwachen lassen“.

Während der Bergretter seine Erinnerungen ausgräbt, tollt im Garten eine kleinere Ausgabe des alten Weggefährten – ein schwarzweißer Border Collie namens Gismo. Gerade einmal fünfeinhalb Monate alt, lernt der junge Hund bereits jeden Tag Dinge, die ihn auf ein Leben als Bergretter vorbereiten. Thönig kniet sich vor ihm ins Gras. Die heutige Lektion: Verbellen.

Der Kleine kläfft schon wie ein Großer. Zu Belohnung gibt’s ein Spielzeug. Mit dem Bellen ruft er später im Einsatz die Bergretter zur Fundstelle, erklärt das Herrchen.

Sam hatte in seinem Leben bei Sucheinsätzen zwei Menschen aufgespürt. Einen tot – 2009 im Kaunertal –, dem anderen hat er das Leben gerettet, berichtet Thönig.

Das war im Mai 2008. In Serfaus hatte eine Nassschneelawine einen Ratracfahrer und sein Fahrzeug mitgerissen. „Er wurde erst um 19 Uhr vermisst.“ Die Pistenraupe war leer, die Retter fanden nur Schuhe und Blut.

Sam erschnüffelte den verwirrten Mann 300 Meter weiter – er hatte versucht, auf der Suche nach Hilfe wegzukriechen. „Und hätte die Nacht vermutlich nicht überlebt“, erinnert sich Thönig.

Aber auch psychisch belastende Einsätze hat es gegeben, bei denen die Aufgabe nur noch darin bestand, die Leiche zu bergen. „Bilder, die man eigentlich nicht sehen will. Da ist man froh, wenn man nicht allein ist“ – der Partner gibt da auch Halt.

Trotzdem ist er nicht in erster Linie Bergretter, sondern bleibt zu 98 Prozent Familienhund. Darum sei es auch eine gemeinsame Entscheidung mit seiner Ehefrau Carmen gewesen, wieder einen Vierbeiner aufzunehmen, so Thönig.

In Summe gibt es derzeit im Bezirk Landeck elf Lawinenhunde – zwei davon in Ausbildung. Wobei die Bezeichnung irreführend ist, denn die meisten Einsatzstunden leisten die Tiere nicht in der kalten Jahreszeit, sondern im Sommer.

Aufgrund des milden letzten Winters zeigt das die Einsatzstatistik für 2013/2014 in Tirol besonders deutlich – mit 29 Einsätzen und 231 Einsatzstunden im Winter und 51 Einsätzen und 701 Einsatzstunden im Sommer.

Die Sommerarbeit muss deshalb auch bei der Ausbildung mehr in den Fokus gerückt werden, betont der Bergretter. Es zeigt sich, dass dann die extremeren Einsatzszenarien auf die Bergretter warten – weil sich die Rettungsaktion meist über ein größeres Gebiet und einen längeren Zeitraum erstreckt. „Nach einem Lawinenabgang sucht der Hund eine Stelle im Schnee, die anders riecht“, im Sommer muss er auch Wanderer von Vermissten unterscheiden können, oft wissen die Rettungskräfte selbst nicht, in welcher Gegend der Gesuchte abgeblieben ist.

Dazu braucht es dann ruhige, ausdauernde Hunde, stressresistent bei Geräuschen und Ortswechseln, Tiere, die leicht zu motivieren sind und lange suchen können – auch in gefährlichem Gelände. Für Gismo, der im Garten zwischen Tulpen und Pfingstrosen spielt, ist es dazu aber noch zu früh. Auch ein Hund darf zunächst einmal Kind sein.

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