„Traviata“ in Wien - Petersen: „In Graz war das ein heißes Ding“
Wien (APA) - Marlis Petersen ist ab kommenden Dienstag wieder einmal im Theater an der Wien zu Gast. Die deutsche Koloratursopranistin ist i...
Wien (APA) - Marlis Petersen ist ab kommenden Dienstag wieder einmal im Theater an der Wien zu Gast. Die deutsche Koloratursopranistin ist in Peter Konwitschnys 2011 in Graz umjubelter „Traviata“ zu sehen. Der Regisseur nimmt für Wien seine ganz auf die Figur der Violetta zugeschnittene Verdi-Inszenierung neu auf, wobei einzig Petersen vom ursprünglichen Ensemble übergeblieben ist.
Die APA sprach im Vorfeld mit der gut gelaunten Künstlerin über sich selbst als weißes Blatt, die Frage, ob sie schon einmal gestorben ist, und ihre Liebe zum Neuen:
APA: In Graz haben Sie vor drei Jahren ihr Rollendebüt als Violetta Valery in der „Traviata“ gegeben, zur Wiederaufnahme in Wien sind sie nun schon ein alter Hase in dem Part. Welches Gefühl ist Ihnen vor einer Premiere lieber?
Marlis Petersen: Mit der Erfahrung bewegt man sich natürlich auf sichererem Terrain - und mir ist schon lieber, wenn ich etwas gesettelter bin. In Graz war das schon ein heißes Ding. Für mich war der Belcanto, der italienische Stil, ja nicht einfach. Diese Stücke brauchen einfach Italianita - und daran arbeite ich jetzt mit dem Coach immer noch.
APA: Sie gelten als sehr experimentierfreudige Sängerin. Ist da eine Wiederaufnahme nicht fad für Sie?
Petersen: Ich habe tatsächlich in meinem bisher 20-jährigen Gesangsleben selten Dinge wiederholt. Ich mag das Neue unglaublich gerne. Jetzt bei der „Traviata“ ist es toll, dass man eine so großartige Inszenierung noch mal aus sich selbst ausgraben kann. Und dass Peter Konwitschny erneut die Inszenierung betreut, macht natürlich auch viel aus, denn mit ihm ist die Erfahrung immer wieder neu. Ich bin dann wie ein weißes Blatt und lasse mich vom Regisseur beschreiben.
APA: Sie sind die einzige der Grazer Inszenierung, die als Sängerin wieder mit an Bord ist. Wie verändert sich eine Inszenierung mit anderen Kollegen?
Petersen: Das Regiegerüst ist natürlich das Gleiche. Konwitschny will aber auch, dass die Leute ihren persönlichen Weg mit der Inszenierung finden. Wenn die Aussage stimmt, kann man auch mal was anders machen. Aber die Message bleibt erhalten.
APA: Sie machen quasi Method Acting und tauchen ganz in eine Rolle rein. Trotzdem wirken sie unmittelbar nach der Probe zur dramatischen Rolle der sterbenden Violetta sehr fröhlich...
Petersen: Ich schmeiße mich voll hinein und mache die Rolle zu meinem Eigenen - oder umgekehrt. Letztlich ist das ein Mischprozess. Aber ich nehme eine Rolle nicht mit nach Hause, auch wenn die natürlich in mir weiterlebt. Ich glaube ja ohnedies, dass alle Opernrollen Teile des menschlichen Daseins darstellen. Vielleicht hat man Dinge schon erlebt oder auch nicht. Gestorben bin ich ja noch nicht - oder wer weiß (lacht). Aber jeder hat eine Vorstellung davon.
APA: Der enorme Reisestress des Opernstars hat Sie nie gestört?
Petersen: Ich habe mit dem Unterwegssein zwischen 2008 und 2012 sehr gehadert. Es war damals eine Zeit, als ich wie auf Autopilot war. Ich habe immer nur gemacht, aber mich nicht mehr gespürt. Ich habe dann etwas verändert in meinem Leben und mache nicht mehr alles. Zur Ruhe kommen ist ganz wichtig, um sein System wieder aufzutanken. Und jetzt habe ich wieder großen Spaß daran zu reisen. Aber ich überlege jetzt, das etwas zu reduzieren. Der Liederabend wird für mich immer wichtiger. Ein Liederabend ist nichts anderes als ein Opernabend im Inneren - als wenn man die Bühne in sich selbst trägt.
APA: Jetzt kommen sie aber im Jänner 2015 wieder für Vincenzo Bellinis „La Straniera“ zurück ans Theater an der Wien - und singen die Rolle im Wechsel mit Edita Gruberova. Steht da ein „Zickenkrieg“ ins Haus?
Petersen: Wien sieht das so - und es wird schon zum Kampf der Diven hochgepuscht. Aber ich sehe das anders: Ich schätze Edita sehr und habe bei ihr sogar schon Stunden gehabt. Wir machen beide unsere jeweiligen Versionen der Alaide - die sich innerhalb eines Gerüsts anders gestalten. Vielleicht hat mein Abend ein anderes Tempo und ist musikalisch etwas stringenter erzählt, während bei Edita der Fokus mehr auf dem Gesang liegt.
APA: Die Krise in Griechenland ist im Norden mittlerweile etwas aus den Schlagzeilen verschwunden. Sie selbst leben seit 2009 in Athen. Wie nehmen Sie die Lage des Landes war?
Petersen: Die Stimmung ist auf jeden Fall Aufbruch. Noch vor einem Jahr habe ich eine Mischung aus Aggression und Depression wahrgenommen. Die Differenz aus ganz Reichen und Armen, die sich nicht einmal das Essen leisten können, ist enorm. Schockierend ist dabei, dass die Reichen nun ihr Land verlassen - das interessiert die nicht, ob das Schiff untergeht! Und auch die Politik ist nicht an den Menschen, sondern nur den eigenen Taschen interessiert. Ich hoffe aber, dass ein neuer Same in der Erziehung und Ausbildung aufgeht. Der Aufbruch ist da, aber es wissen viele noch nicht, wie sie damit umgehen sollen.
(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E - „La Traviata“ von Giuseppe Verdi im Theater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien unter der musikalischen Leitung von Sian Edwards am Pult des RSO. Regie: Peter Konwitschny, Ausstattung: Johannes Leiacker. Mit Marlis Petersen/Violetta Valery, Arturo Chacon-Cruz/Alfredo Germont, Roberto Frontali/Giorgio Germont, Iwona Sakowicz/Flora, Gaia Petrone/Annina, Andrew Owens/Gastone, Ben Connor/Barone Douphol, Igor Bakan/Dottore Grenvil, Giulio Mastrototaro/Marchese d‘Obigny, Dejan Toshev/Giuseppe, Daniel Simandl/Commissionario. Premiere am 1. Juli. Weitere Aufführungen am 3., 6., 9. und 11. Juli. Infos unter www.theater-wien.at)
(B I L D A V I S O - Bilder von Marlis Petersen wurden über den AOM verbreitet und sind dort abrufbar.)