Kleiner Einschuss mit großen Folgen
Zeitgerecht zum Jahrestag des Attentats von Sarajewo hat das Heeresgeschichtliche Museum in Wien seine Ausstellung zum Ersten Weltkrieg neu eröffnet. Populärstes Stück ist das Auto, in dem der Thronfolger starb.
Von Wolfgang Sablatnig
Wien –Mit dem Tod schließt sich der Kreis. Am Ende der neu gestalteten Dauerausstellung zum Ersten Weltkrieg im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum (HGM) stehen die Gräber der Millionen Gefallenen. Auf der anderen Seite der Trennwand dieses Saales stehen die beiden Toten, deren Ermordung die verhängnisvolle Entwicklung hin zum Krieg ausgelöst hatte: der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie.
Nach eineinhalb Jahren Umbau ist die Schau zeitgerecht zum Jahrestag des Attentats von Sarajewo neu eröffnet worden. Museumsdirektor Christian Ortner kann zu vielen Stücken mit Anekdoten aufwarten. Ein Porträt Franz Ferdinands etwa, das 1911 schon mit Insignien und Orden des Kaisers gemalt worden war. Als Franz Joseph sich von einer schweren Krankheit doch erholte, wurden diese einfach übermalt.
Oder das bekannteste Stück seiner Sammlung, der Doppel-Phaeton des österreichischen Automobil-Bauers Gräf & Stift, in dem Franz Ferdinand und Sophie ermordet wurden. Graf Franz von Harrach schenkte den Wagen dem damaligen Heeresmuseum. Er wollte ihn nicht mehr, hatte darin doch der von ihm verehrte Thronfolger den Tod gefunden. Harrach kaufte sich stattdessen ein typengleiches Auto und verwendete weiter die Nummer „A III 118“. In Wien hielt sich jahrelang das Gerücht, Harrach fahre noch immer das Sarajewo-Auto.
Ortner hält Harrach auch für den Urheber der oft zitierten letzten Worte Franz Ferdinands. „Sopherl, Sopherl, sterbe nicht, bleibe am Leben für unsere Kinder.“ Tatsächlich gehen Mediziner davon aus, dass der Habsburger mit zerfetztem Kehlkopf gar nicht mehr habe sprechen können.
Das HGM zeigt die Uniform, die Franz Ferdinand trug. Nur ein kleiner Einschuss, aber großflächige Blutflecken. Richtiggehend blutgetränkt ist dafür das Unterhemd Franz Ferdinands, das nur zwei Wochen im Jahr, rund um das Gedenken an Sarajewo, ausgestellt ist. „Blut zerfällt bei Licht“, erläutert der Direktor. Heuer kommt das Stück in zwei Wochen, nach dem 13. Juli, zurück ins Depot.
Nur wenige Meter weiter liegen in einer Vitrine drei Browning-Pistolen und eine Handgranate. Nach dem Attentat hat die Polizei vier Waffen sichergestellt. Welche der Pistolen die von Gavrilo Princip ist, ob sie überhaupt dabei ist, lässt sich Ortner nicht entlocken: „Wir wollen zeigen, dass es eine kollektive Tat war.“
Im wahrsten Sinne gewichtigstes Stück ist die riesige 38-cm-Haubitze, von der die böhmische Waffenschmiede Skoda nur acht Stück ausgeliefert hatte. Wegen eines Haarrisses im Rohr entging das Gerät im Zweiten Weltkrieg der Beschlagnahme durch die deutsche Wehrmacht. Ortner vermutet, dass es diesen Haarriss nie gegeben hat: „Ich glaube, das war nur eine Schutzbehauptung.“
Ortner bemüht sich in seiner Ausstellung um eine nüchterne Darstellung des Ersten Weltkriegs. „Wir wollen keinen Schock, aber auch kein Military-Disneyland. Ich will den Tod und den Krieg nicht positiv besetzen.“
„Kriege gehören ins Museum“, lautet denn auch das Motto des HGM. Und dennoch überwiegt der Eindruck einer Waffen- und Militärschau. Viele Uniformen verschiedenster Dienstgrade, Einheiten und Nationalitäten, Waffen, soldatische Ausrüstung – diese Objekte sind es, die den Schwerpunkt der Sammlung des HGM bilden. Als einzige Installation haben die Ausstellungsmacher zudem einen Schützengraben nachgebaut, um den Schrecken des Stellungskrieges anschaulich zu machen.
Leben – und Not – der Bevölkerung im Krieg, Kriegsjustiz, Propaganda, Kriegsgefangene – rücken im Vergleich zur Militärschau in den Hintergrund. „Wie soll ich die Krankheit der Kinder darstellen, wenn nicht mit Fotos?“, fragt Ortner. Umso mehr ist er stolz darauf, die Schau mit Werken zeitgenössischer Künstler, von Albin Egger-Lienz bis Egon Schiele, abrunden zu können. „Wir besitzen eine der größten Kunstsammlungen Österreichs“, sagt er. Für den Ersten Weltkrieg hat er eine reiche Auswahl: Viele Künstler waren für die Propaganda im Kriegspressequartier verpflichtet.