Ein echter Skandal auf dem Schlossberg
Die Schlossbergspiele Rattenberg glänzen heuer mit „Philippine Welser“ – einer Tiroler Skandalgeschichte.
Von Wolfgang Otter
Rattenberg –Sie war eine bürgerliche Kaufmannstochter aus Augsburg und er ein Habsburger-Sohn von adeligem Blut. Ihre Liebe zueinander mussten sie verstecken und ihre Hochzeit geheimhalten. Viele verurteilten ihre scheinbar unsittliche Beziehung, aber das einfache Volk liebten sie – ein Stoff, den sogar heute noch Hollywood-Produzenten den Autoren aus den Händen reißen und die Klatschpresse begeistern würde. Philippine Welsers (1527 bis 1580) oft verklärtes und von Mythen umranktes Leben auf Schloss Ambras und ihr Leben mit Ferdinand II., dem Erzherzog von Tirol (1529–1595), war damals ein einziger Skandal und rund 200 Jahre später Emanuel Schikaneder ein passender Stoff, um darüber ein Theaterstück zu schreiben, das der Dramaturgie wegen oft die historische Wahrheit verlässt. Schikaneder, heute besonders berühmt durch das Libretto zu Mozarts Zauberflöte, dürfte in den Jahren 1775/76 bei seinem Aufenthalt in Innsbruck von Philippine Welsers Leben erfahren haben und zum Stück inspiriert worden sein, das 1792 erfolgreich aufgeführt wurde.
Erfolgreich ist auch die Produktion am Rattenberg Schlossberg der manchmal etwas augenzwinkernden Überarbeitung und Inszenierung von Elmar Drexel, die Freitagabend ihre Premiere erlebte. Die „Rattenberger“ Philippine ist eine schöne, verliebte, selbstbewusste Frau, in diesem Sinne auch verkörpert von Johanna Lugger-Dönmez, die ins raue Tirol zieht und viel auf sich nimmt, um bei ihrem Ferdinand (gespielt von Oliver Ruso) zu sein. Vor der aufwändigen und opulenten Kulisse (Bühnenbild, Kostüme und Requisiten von Eva Praxmarer, Ria Maier, Waltraud Pauli und Erich Eberharter) und der Musik von Romed Hopfgartner (Franui) trachtet ein spielerisch aus dem Ensemble hervorstechender Hans-Peter Teufel in der Rolle des Hofherrn der Schönen nach dem Leben. Doch die Tiroler (darunter Wirt Werner Klikova) und der ebenfalls nennenswerte Stefan Bric-Dessalines als General lassen ihre Herzogin nicht im Stich, mag der Pater noch so gegen die „Huren und Hexen auf Ambras“ schimpfen. Als dann noch das Schloss von Räubern überfallen und die Herzogin entführt wird, breitet sich eine märchenhafte Stimmung auf dem Schlossberg aus. Das Ganze wird vom eindrucksvoll und facettenreich spielenden Alois Beck als Erzähler kommentiert.
Die Schlossbergspiele haben sich mit Schikaneders Stück zum 60-jährigen Bestehen das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht. Das gesamte Ensemble spielt auf sehr hohem Niveau, Drexel inszeniert kurzweilig und mit vielen Ideen. Auch der Spaß kommt nicht zu kurz (u. a. die beiden Schwestern Ferdinands gespielt von Katharina Oehm und Helene Rampl). Ein Abend, bei dem man sich zurücklehnen und in vergangene Zeiten entführen lassen kann. Bravo!