Künstler und Katholiken: Kontroverse um „Golgota Picnic“ in Polen

Warschau (APA/dpa) - Trillerpfeifen und die Rufe „Hanba, Hanba!“ (Schande, Schande) tönten am Donnerstagabend vor dem Teatr Wielki in Warsch...

Warschau (APA/dpa) - Trillerpfeifen und die Rufe „Hanba, Hanba!“ (Schande, Schande) tönten am Donnerstagabend vor dem Teatr Wielki in Warschau. Zornig reckt eine ältere Frau ihren Rosenkranz in die Höhe. Ein bärtiger Mönch hält den Theaterbesuchern ein Plakat entgegen: „Wache auf, Polen, und verteidige das Christentum“. Andere Demonstranten wollen Besucher vom Eingang abdrängen. Die Polizei muss einschreiten.

Der Protest richtet sich gegen die szenische Lesung des Theaterstücks „Golgota Picnic“ des spanisch-argentinischen Regisseurs Rodrigo Garcia. Doch auch die Theateraufführung selbst ist ein Protest, eine Demonstration gegen „selbst auferlegte Zensur“. Denn ursprünglich sollte „Golgota Picnic“ an diesem Freitag und Samstag im westpolnischen Posen (Poznan) auf dem Malta-Kulturfestival gezeigt werden. Garcia selbst sagt, das Stück über das Leben von Christus spiegle die Wirklichkeit der Konsumgesellschaft, auch in Bildern und Szenen, die schocken oder provozieren können.

Fundamentalistische und rechte Gruppen riefen ebenso zu Protesten gegen das Stück auf wie der Posener Erzbischof Stanislaw Gadecki, der religiöse Gefühle verletzt sah. Auf rechtskatholischen Webseiten wurde die Stimmung aufgeheizt.

Michal Mierczynski, Direktor des Malta-Festivals, sagte schließlich vor einer Woche die geplante Festivalaufführung ab. Er begründete das mit der Furcht vor Gewalt gegen Zuschauer und Künstler nach Droh-Anrufen. „Das Stück ist nicht antichristlich. Das ist die Behauptung radikaler katholischer Gruppen, die für rationale Argumente taub sind“, schrieb er.

Das Stück zeigt unter anderem ein bizarres letztes Abendmahl in drastischen Bildern. Es hatte bereits in anderen Ländern Empörung ausgelöst. Auch vor einer Aufführung am Hamburger Thalia Theater 2012 gab es Proteste erzkonservativer Gruppen.

„Die Leute, die protestieren, haben keine Ahnung, wovon sie reden und wogegen sie protestieren. Sie sollten hierherkommen, sich anhören, was ich zu sagen habe, und dann ihren Standpunkt demonstrieren“, sagte García in Warschau. Eine geplante Diskussion des Regisseurs mit den Theaterbesuchern musste ausfallen, weil jemand eine Stinkbombe in den Saal warf.

Künstler und Intellektuelle in Polen sehen in der Absage des Theaterstücks ein Einknicken vor dem Druck der Straße, ja mehr noch, Selbstzensur. „Ich verstehe die Ängste von Mierczynski“, sagte die polnische Kulturministerin Malgorzate Omilanwska vor wenigen Tagen. Sie betonte aber auch: „Ich sehe keinen Platz für präventive Zensur und für die Verhinderung von künstlerischen Ereignissen, nur weil jemand dagegen protestiert, der den Inhalt nicht einmal kennt. Am wichtigsten ist die Autonomie der Künstler und die Freiheit des Wortes.“

In einem offenen Brief an Präsident Bronislaw Komorowski warnten Künstler und Intellektuelle vor „einer neuen Form ideologischer Zensur, basierend auf Ignoranz und Hass gegen alles, was schwer zu verstehen ist“. In Krakau, Lublin, Warschau, Breslau und anderen Städten wurden für diesen Freitag Lesungen und Filmvorführungen zu „Golgota Picnic“ organisiert.

„Ist es nicht wunderbar, dass die geeinte Front katholischer Taliban, unterstützt von der nationalen Rechten und Teilen der Fußball-Hooliganszene in Polen zur Verbreitung eines elitären Kunstwerks beiträgt?“ fragte der Journalist Wojciech Maziarski in einem Kommentar in der linksliberalen „Gazeta Wyborcza“ ironisch.

Die Gegner des Stücks aber wollen so schnell nicht aufgeben: Mit Unterschriftenaktionen und Protestbriefen an die Bürgermeister der Städte, in denen „Golgota Picnic“ zur Aufführung kommt, drohten sie nicht nur mit Protesten, sondern auch mit der „Wähler-Ohrfeige“ bei den polnischen Kommunalwahlen im November.