Deutscher Bundestag beschließt Ökostrom-Gesetz trotz EU-Widerstands

Berlin (APA/Reuters) - Trotz EU-Kritik an der deutschen Ökostrom-Förderung treibt Deutschland die Reform der Energiewende voran. Der Bundest...

Berlin (APA/Reuters) - Trotz EU-Kritik an der deutschen Ökostrom-Förderung treibt Deutschland die Reform der Energiewende voran. Der Bundestag beschloss am Freitag eine Neufassung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG), mit dem der Ausbau des Ökostroms genauer gesteuert und notfalls begrenzt werden soll.

So will die Koalition Strompreise für Haushalte dämpfen. Zudem sichert sie aber auch milliardenschwere Rabatte für Industrie-Großverbraucher.

„Wir setzen mit der Verabschiedung des EEG den ersten Baustein, um die Energiewende wieder auf ein festes Fundament zu setzen“, sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. „Das Motto muss lauten: Je planbarer, je berechenbarer, je besser.“ Die Opposition sprach von einem schwarzen Tag: „Sigmar Gabriel ist die Abrissbirne, die die erneuerbaren Energien in diesem Land kaputt macht“, sagte Grünen-Vize-Fraktionschef Oliver Krischer.

Grüne und Linke zeigten sich zudem empört über den Zeitdruck, mit dem das Gesetzesvorhaben auf den letzten Metern umgesetzt wurde. Das Parlament entmachte sich so selbst. Regierung und Koalition führten die Eile auf neue Forderungen der EU-Kommission zurück, die noch zu Beginn der Woche eingearbeitet werden mussten. Der Streit mit der EU eskalierte trotzdem: Regierung und Koalition lehnten es ab, Importstrom zumindest teilweise von der EEG-Umlage zu befreien, mit der die Ökostrom-Hilfen bezahlt werden. Dies würde das gesamte deutsche Fördersystem aushebeln. „Das ist ein Irrweg, den wir nicht mitgehen können“, sagte Gabriel. Die Regierung setzt jetzt auf eine Intervention des Kanzleramts in Brüssel, damit das Gesetz dennoch gebilligt wird. Nur so können die Strompreis-Rabatte für die energieintensive Industrie gewährt werden, die insgesamt rund 5 Mrd. Euro im Jahr ausmachen.

Das Gesetz sieht zudem Einschnitte bei der Förderung des Ökostroms vor: Jährlich sollen maximal je 2,5 Gigawatt Wind- und Solarleistung neu installiert werden, was rechnerisch der Leistung von fünf großen konventionellen Kraftwerken entspricht. Zudem soll wie von der EU gefordert Zug um Zug der Bau von Ökostrom-Anlagen ausgeschrieben werden. Den Zuschlag wird dann der erhalten, der die wenigsten Subventionen verlangt. Ziel ist es, den Anteil des Ökostroms am Verbrauch bis 2025 auf 40 bis 45 Prozent zu steigern. Jetzt liegt er etwa bei 27 Prozent.

Die Ökostrom-Branche sprach von einem schlechten Dienst für die Energiewende. Sie werde so bürokratischer und teurer, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), Hermann Falk. Vor alle stoße Gabriel die Bürger vor den Kopf, die sich mit Investitionen in Wind-, Solar- oder Biomasseanlange für die Energiewende engagiert hätten.

Trotz des langen Ringens zwischen EU-Kommission und deutscher Regierung im Vorfeld des Gesetzesverfahrens kommen auf die großen Stromverbraucher der Industrie neue Belastungen zu: Zwar bleiben die Vergünstigungen bei der EEG-Umlage für die meisten Betriebe in etwa wie bisher erhalten. Wer jedoch seinen Strom selbst erzeugt, muss künftig auch auf Druck der EU mehr zahlen. Bisher war diese Energie komplett von der Umlage ausgenommen, weswegen Betriebe immer mehr eigene Kraftwerke bauten. Strom aus künftigen Kraftwerken wird nun mit 40 Prozent der Umlage belegt, sofern sie umweltfreundlichen Ökostrom oder Energie aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen liefern. Für die übrigen ist der volle Betrag von derzeit 6,24 Cent pro Kilowattstunde fällig. Gut ein Viertel des Industriestroms wird mittlerweile aus eigenen Anlagen bezogen.

Bereits laufende Kraftwerke sollen zwar mindestens bis Ende 2016 befreit bleiben. Danach verlangt die EU aber eine Neuregelung. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte diese Unsicherheit. „Das schadet dem Industriestandort Deutschland“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber.

Einer Umfrage zufolge sehen auch die privaten Haushalte die Reform skeptisch. Drei Viertel der Befragten gehen dem ZDF-Politbarometer zufolge von weiter stark oder sogar sehr stark steigenden Strompreisen aus.