Juncker-Nominierung - Briten feiern Cameron als Märtyrer

London (APA) - Der britische Premier David Cameron ist nach seiner Niederlage beim EU-Gipfel daheim wie ein Märtyrer gefeiert worden, berich...

London (APA) - Der britische Premier David Cameron ist nach seiner Niederlage beim EU-Gipfel daheim wie ein Märtyrer gefeiert worden, berichtet „Spiegel Online“ am Freitagabend.

Cameron sei der einzige Regierungschef, der den Mut habe, gegen Europa aufzustehen, lobte Fraser Nelson, Chefredakteur des konservativen Wochenmagazins „The Spectator“. „Ich gebe ihm die Bestnote“, schwärmte Douglas Carswell, einer der schärfsten EU-Gegner bei den Tories.

Nur Oppositionsführer Ed Miliband warf dem Regierungschef „totales Versagen“ vor. Die Abstimmung sei eine „Demütigung“, sagte der Labour-Chef. Mit diplomatischem Geschick hätte Jean-Claude Juncker als neuer EU-Kommissionspräsident verhindert werden können.

Die meisten Briten jedoch halten laut Umfragen den Konfrontationskurs ihres Premiers für richtig. Seinem Ruf, so scheint es, hat die Blockade eher genützt.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hingegen gilt in London als Hauptschuldige an Camerons Isolation. Sie habe ihn lange in dem Glauben gelassen, auf seiner Seite zu stehen, heißt es in Regierungskreisen. Dann sei sie unter dem öffentlichen Druck in Deutschland umgeschwenkt und habe sich hinter Juncker gestellt.

Daraufhin hätten sich auch andere Juncker-Kritiker wie der Schwede Frederik Reinfeldt und der Niederländer Mark Rutte der Mehrheit angeschlossen. Cameron habe den Fehler begangen, der „schwarzen Witwe“ Merkel zu vertrauen, schrieb der konservative „Daily Telegraph“. Das sei naiv gewesen.

Die Frage ist, wie lange Cameron nun braucht, um ein konstruktives Arbeitsverhältnis zu Juncker zu finden. Bei seinem Eintreffen vor dem EU-Rat sagte er: „Alles im Leben hat Konsequenzen.“ Dies wurde als Warnung an die Partner verstanden, dass Großbritannien die Abstimmungsniederlage nicht einfach auf sich beruhen lassen will.

Besonnene Stimmen mahnten Cameron, die Konfrontation nicht auf die Spitze zu treiben. Bockigkeit führe nicht weiter, schreibt „Times“-Kolumnist Philip Collins. Camerons Europapolitik erinnere zu häufig an ein Kind, das sich allen Warnungen zum Trotz so lange in der Nase bohrt, bis sie blutig sei.

Auch Richard Corbett, bis vor kurzem Kabinettschef von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, riet, sich möglichst bald mit Juncker zu arrangieren. Man möge den Luxemburger für nicht dynamisch genug halten, schrieb der frischgewählte Labour-Europaabgeordnete in seinem Blog. Doch repräsentiere er den Teil des politischen Spektrums, den man für Reformen brauche.