Trostpflaster für Cameron nach Niederlage beim EU-Gipfel

Brüssel (APA/dpa) - Nach der umstrittenen Nominierung Jean-Claude Junckers zum nächsten EU-Kommissionspräsidenten versuchen Europas Staats- ...

Brüssel (APA/dpa) - Nach der umstrittenen Nominierung Jean-Claude Junckers zum nächsten EU-Kommissionspräsidenten versuchen Europas Staats- und Regierungschefs, die Risse in der EU zu kitten. Beim EU-Gipfel kamen die Staatenlenker dem britischen Premier David Cameron entgegen, der in der Kampfabstimmung gegen Juncker votiert hatte.

In der Abschlusserklärung erkennen die Staatenlenker das Recht von Ländern an, bei der weiteren Integration der EU nicht mitzugehen. „Das Vereinigte Königreich hat einige Befürchtungen über die künftige Entwicklung der EU vorgebracht. Diese Sorgen müssen aufgegriffen werden“, heißt es.

Ein weiteres politisches Trostpflaster ist, dass die künftigen Topposten nicht gegen den Widerstand eines Landes besetzt werden sollen. Bis zum Herbst muss sich die EU über ein umfassendes Personalpaket einigen. Dazu gehört die Nachfolge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und von Ratschef Van Rompuy - beide sollen vom Gipfel einstimmig benannt werden. Diese Personalien könnten bei einer Sondersitzung am 16. Juli bestimmt werden.

Zugleich wollen die Staats- und Regierungschefs noch einmal darüber nachdenken, wie der Kommissionspräsident künftig bestimmt wird. In der Erklärung heißt es, der Gipfel werde „das Verfahren zur Ernennung des Präsidenten der Europäischen Kommission für die Zukunft überdenken - unter Respektierung der Europäischen Verträge.“ Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, man werde „die Sorgen, die Großbritannien hat, aufnehmen“. Bei der Integration Europas müssten nicht „alle mit einer Geschwindigkeit vorgehen“.

Bei den diesjährigen Europawahlen Ende Mai hatten die Parteien erstmals Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten aufgestellt. Damit hatte das Parlament deutlich mehr Einfluss auf die Personalie genommen als je zuvor. Der Kommissionspräsident muss laut Vertrag von den Staatenlenkern - im Lichte des Wahlergebnisses - benannt und vom Parlament gewählt werden. Der britische Premier sieht darin eine Aushöhlung der Rechte der Regierungen. Das Mandat für die Kommissionsspitze läuft fünf Jahre. Die EU-Kommission ist eine Art Geschäftsführung der EU - nur sie kann Gesetze vorschlagen.

Der EU-Gipfel hatte den konservativen Luxemburger Juncker (59) in einer Abstimmung als neuen Kommissionschef benannt. „Abgesehen von Großbritannien und Ungarn haben alle Länder für Juncker gestimmt“, sagte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy.

Insbesondere der britische Premier Cameron hatte sich öffentlich gegen Juncker gestellt und eine Abstimmung im Kreis der Staatenlenker erzwungen - ein absolutes Novum. Bisher wurde der Chef der mächtigen Behörde einvernehmlich bestimmt.

Cameron hatte mehrfach erklärt, er halte den früheren Euro-Retter Juncker als ungeeignet für den Topposten. Juncker war bis Ende vergangenen Jahres 18 Jahre lang Premier Luxemburgs und lange der Vorsitzende der Finanzminister der Euro-Länder. Für Cameron und andere Kritiker verkörpert er eine alte und entrückte Union.

Auf die Frage, ob er von der Zustimmung Merkels zu Juncker enttäuscht sei, sagte Cameron: „Natürlich stehen wir heute auf entgegengesetzten Seiten und das ist Grund für Bedauern. (...) Das passiert manchmal.“ Es sei aber wichtig, für seine Überzeugung einzustehen: „Manchmal muss man bereit sein, eine Schlacht zu verlieren, um einen Krieg zu gewinnen.“