1914/2014: Sarajevo-Attentat sorgt auch nach 100 Jahren für Unfrieden
Sarajevo (APA) - Die Straßenecke, an der Gavrilo Princip am heutigen Tag vor 100 Jahren den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Fer...
Sarajevo (APA) - Die Straßenecke, an der Gavrilo Princip am heutigen Tag vor 100 Jahren den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Ehefrau Sophie erschoss, ist das, was sie sein sollte: Eine Touristenattraktion. Zahlreiche Schaulustige drängen sich am heißen Samstagnachmittag in der Altstadt Sarajevos rund um eine Nachbildung jenes Fahrzeugs, in dem das Paar am 28. Juni 1914 starb.
Die Wiener Philharmoniker und mehrere Staatsoberhäupter sind an diesem symbolträchtigen Tag in die bosnische Hauptstadt gekommen, um gemeinsam eine Friedensbotschaft auszusenden. „Sich zu bekriegen, ist nicht sehr zielführend“, formuliert es Dirigent Franz Welser-Möst treffend. Bundespräsident Heinz Fischer spricht von einem „hoffnungsvollen Zeichen für die Zukunft“, dass er der verhängnisvollen Ereignisse am heutigen Tag gemeinsam mit den Präsidenten Bosnien-Herzegowinas, Kroatiens, Mazedoniens und Montenegro gedenken darf.
Doch die große symbolische Versöhnungsgeste mit Serbien fällt aus. Schuld ist nicht nur die nach dem Bosnien-Krieg am „Alten Rathaus“, angebrachte Inschrift, in der „serbische Verbrecher“ an den Pranger gestellt werden. Es geht vielmehr um eine fundamental andere Bewertung der Ereignisse vom 28. Juni 1914. „Princips Schuss für Freiheit und Gerechtigkeit“, titelte die Zeitung „Nase novine“ am heutigen Samstag, und der bosnisch-serbische Präsident Milorad Dodik pries den Attentäter als Vorbild für die angestrebte Unabhängigkeit der bosnischen Serbenrepublik. „Auf der Basis der Freiheitsideen Gavrilo Princips wird unsere Autonomie gestärkt bis zur Unabhängigkeit“, sagte er laut dpa gegenüber lokalen Medien.
Bereits am gestrigen Freitag war im serbisch kontrollierten Ost-Sarajevo eine Statue für Princip enthüllt worden. Das serbische Mitglied im Staatspräsidium, Nebojsa Radmanovic, würdigte den Attentäter unter dem Jubel von tausenden Menschen als „Volkshelden“ und „Patrioten“. Und am heutigen Samstagabend will die serbische Staatsspitze parallel zum Gedenkkonzert der Wiener Philharmoniker in der ostbosnischen Stadt Visegrad die Tat Princips würdigen, der als Befreier der Südslawen von der Fremdherrschaft bejubelt wird.
Die muslimische Mehrheitsbevölkerung Sarajevos sieht Princip freilich ganz anders. Princips Schuss habe eine Katastrophe ausgelöst, sagte der einheimische David Bajramovic am Samstag bei einer Friedenskundgebung in der Innenstadt von Sarajevo. Er wies darauf hin, dass im Ersten Weltkrieg 18 Millionen Menschen gestorben seien. „Wenn wir jedem dieser Menschen nur eine Sekunde des Trauerns widmen würden, müssten wir zwei Jahre lang still sein.“ Ein Ratschlag, den sich vielleicht auch der eine oder andere Politiker zu Herzen nehmen könnte.