Ermüdendes Zyklopen-Mikado - „Guillaume Tell“ in München

München (APA/dpa) - Szenisch enttäuschend, musikalisch durchwachsen: Die Eröffnungspremiere der Münchner Opernfestspiele 2014 mit Gioachino ...

München (APA/dpa) - Szenisch enttäuschend, musikalisch durchwachsen: Die Eröffnungspremiere der Münchner Opernfestspiele 2014 mit Gioachino Rossinis Oper „Guillaume Tell“(„Wilhelm Tell“) hat den Erwartungen nur teilweise entsprochen. Ungeteilten Beifall gab es am Samstagabend nur für die Sänger.

Zumindest der Apfelschuss kurz vor der Pause saß: Auf Geheiß des Tyrannen Gessler sollte der Volksaufwiegler Tell seinem eigenen Sohn die Frucht mit einer Armbrust vom Kopf schießen, nur dann würden er und der Filius von Strafe verschont. Die Pyrotechniker der Bayerischen Staatsoper hatten den Apfel raffiniert präpariert - er zerplatze mit einem Knall und spritzte in alle Richtungen davon.

Der gelungene Gag begeisterte auch rund 6.000 Zuhörer auf dem Max-Joseph-Platz vor dem Münchner Nationaltheater. Sie konnten die Eröffnungspremiere live auf einer Großleinwand verfolgen. 42.000 Opernfreunde sahen und hörten laut Bayerischer Staatsoper das Spektakel zudem per kostenlosem Video-Livestream.

Ansonsten fiel die mit Spannung erwartete Premiere enttäuschend aus. Leider versäumte es der junge Regisseur Antú Romero Nunes in seiner ersten Operninszenierung, das vor Freiheitspathos und allerlei Liebes- und Racheschwüren triefende Riesenwerk im Stil der Pariser „Grand opera“ des beginnenden 19. Jahrhunderts ein wenig gegen den Strich zu bürsten und für heutige Mägen verdaulicher zu machen.

Im Gegenteil: Die statische Personenregie, die endlose Rampensingerei, die ungelenk gestalteten Massenszenen und vor allem das martialische Einheitsbühnenbild von Florian Lösche machten den dreistündigen Opernabend zu einem ziemlich harten Brocken.

Ungeteilten Jubel gab es nur für die Sänger, allen voran Bariton Michael Volle in der Titelrolle, US-Tenor Bryan Hymel als Tells Freund Arnold, die lettische Sopranistin Marina Rebeka als unglückliche Habsburgerprinzessin Mathilde und Geliebte Arnolds sowie die russische Sopranistin Jewgenija Sotnikowa als Tells Sohn. Nunes und sein Team, aber auch Dirigent Dan Ettinger wurden zum Teil heftig ausgebuht.

Schon die ersten Takte mochten die Erwartungen des Publikums nicht erfüllt haben. Statt der schwungvollen Ouvertüre, dem mit Abstand bekanntesten Stück der nur noch selten gespielten Oper, gab es gleich die erste Gewaltszene. Dann senkte sich ein Dickicht von riesigen, silbrig schimmernden Metallzylindern auf die Bühne herab. Die wurden in den nächsten drei Stunden immer wieder rauf- und runtergezogen, mal symbolisierten sie den Schweizer Wald, mal als gigantische Gitterstäbe das habsburgische Volksgefängnis. Irgendwann ermüdete das zyklopische Mikadospiel.

Den Schweizer Volkshelden Tell hatte Nunes in einen spießigen Ringelpullover samt grünem Militärparka gesteckt. Anfangs schien er sich mehr gegen seine herrische Frau und den unerzogenen Sohn behaupten zu müssen. Zum Freiheitskämpfer und Anführer der Eidgenossen wird der zögerliche Maulheld erst in der direkten Konfrontation mit dem habsburgischen Landvogt Gessler nach dem gelungenen Apfelschuss. Dessen Rechnung, Tell zu erniedrigen, geht nicht auf. Tell fleht nicht um Gnade, sondern schießt. Das Kind überlebt, die Eidgenossen greifen zu den Waffen, Tell ersticht Gessler mit einem Pfeil seiner Armbrust.

Am Ende sind die Feinde vertrieben, Tote und Verletzte bedecken die Bühne. Offenbar selbst erschrocken darüber, was im Namen der Freiheit möglich ist, stolpert Tell über das Schlachtfeld. Die Botschaft, dass auch der edelste Kampf seine Opfer fordert, war freilich ein wenig naheliegend für drei mitunter anstrengende Opernstunden. Fans der Ouvertüre kamen übrigens doch noch auf ihre Kosten. Das Stück wurde als Zwischenmusik vor dem zweiten Teil der Oper gespielt.