Gaza - Neben Medikamenten und Betten fehlt vor allem die Hoffnung

Gaza/Jerusalem (APA/AFP) - Nachts ist es am schlimmsten. „Dann kommen fortlaufend nur Notfälle.“ Kamel Saksuk ist Arzt im Krankenhaus Nasser...

Gaza/Jerusalem (APA/AFP) - Nachts ist es am schlimmsten. „Dann kommen fortlaufend nur Notfälle.“ Kamel Saksuk ist Arzt im Krankenhaus Nasser in Khan Junis im Gazastreifen - und das im Moment rund um die Uhr. Seit dem Beginn des israelischen Militäreinsatzes gegen den Gazastreifen wird seine Klinik überschwemmt mit Verletzten und Verzweifelten, einige verlieren den Kampf um ihr Leben vor seinen Augen.

Khan Junis ist eines der bevorzugten Ziele der israelischen Angriffe, denn die Stadt ist eine Hochburg der radikalislamischen palästinensischen Bewegung Hamas. Auch am Wochenende starben in der Stadt wieder ganze Familien durch israelische Geschoße.

„Die Lage ist sehr, sehr kompliziert, so viel schlimmer als beim letzten Krieg“, sagt Saksuk und meint die israelische Militäroperation „Säule der Verteidigung“ vom November 2012. Zwei Wochen dauern die jüngsten Feindseligkeiten nun schon an und die Kräfte der Ärzte und Krankenschwestern in der Nasser-Klinik gehen allmählich genauso zur Neige wie die medizinische Ausrüstung. Es fehlt an Medikamenten und Verbandszeug, an Betten sowieso, und an Hoffnung.

Auf der Intensivstation liegt Khadija Abu Hamad, eine 25-jährige Frau. Granatsplitter haben ihren Körper zerfetzt und sich in ihr Gehirn gefressen. Ihr Arm ist gebrochen, ihr linkes Auge hat sie verloren und was von ihrem Gesicht unter dem Verband hervorlugt, ist blau und gelb geschwollen. Neben ihr liegt der 18-jährige Uday al-Astal, er ist jetzt rechtsseitig gelähmt.

Am anderen Ende des Saals kämpft Yussef Astal ums Überleben. Er wurde bei einem israelischen Luftangriff schwer am Oberschenkel verletzt. „Wir mussten sein Bein amputieren“, sagt der Arzt Moatas al-Yubur. Weniger Glück hatten Astals Verwandte, vier von ihnen starben. Yubur überwacht die Intensivstation, er legt viele Bluttransfusionen in diesen Tagen, oft umsonst. Gerade kümmert er sich um einen Patienten, dem Granatsplitter in Magen, Darm und Nieren eingedrungen sind. „Es geht ihm sehr schlecht.“

Unten am Empfang warten diejenigen mit weniger schweren Verletzungen, sie warten auf eine Behandlung oder Neuigkeiten von ihren vermissten Verwandten. Ibrahim Fayyad saß gerade vor seinem Haus, als ein israelischer Jagdbomber angriff. „Ich bin voller Angst weggerannt“, erzählt der 24-Jährige. „Dann gab es noch einen Angriff, ein Flugzeug hat dreimal gefeuert, es gab eine riesige Explosion und überall flogen Granatsplitter herum.“

Yubur arbeitet schon seit Jahren als Arzt in der Klinik Nasser, die Szenen sind für ihn traurige Gewohnheit. Ende 2008 bis Anfang 2009 gab es die israelische Offensive „Gegossenes Blei“, bei der 1.400 Palästinenser und 13 Israelis starben, 2012 die „Säule der Verteidigung“ - mit 177 Toten auf palästinensischer und sechs Toten auf israelischer Seite. Durch den jetzigen Einsatz, der den Raketenbeschuss Israels aus dem Gazastreifen dauerhaft beenden soll, starben schon mehr als 400 Palästinenser.

Die UNO schätzt, dass rund ein Drittel der Todesopfer Kinder sind. „Die ganze Welt schaut zu, während die Palästinenser abgeschlachtet werden“, klagt Yubur. Israels Angriffe gelten der Hamas und ihren Stellungen, doch die meisten Opfer sind Zivilisten. „Es sind Unschuldige, Menschen, die mit ihren Verwandten zusammensitzen“, sagt der Arzt. „Wohin sollen diese Menschen denn gehen?“