Ukraine

MH 17: UN berät über Resolution, 282 Leichen geborgen

Ein prorussischer Separatist bei der Absturzstelle.
© EPA

Nach dem mutmaßlichen Flugzeugabschuss sind die ersten internationalen Experten in der Region eingetroffen. Entgegen der Angaben der Separatisten, wurden die Waggons zur Leichenaufbewahrung nicht gekühlt. Unterdessen erzürnt ein Reporter des Senders „Sky“ die Zuseher. Während einer Live-Schaltung durchsuchte er das Gepäck von Opfern des Absturzes.

Den Haag – Drei niederländische Experten zur Identifizierung der Opfer des Flugzeugabsturzes in der Ostukraine sind am Montag am Unglücksort eingetroffen. Sie wurden von OSZE-Mitarbeitern begleitet. Die Ermittler öffneten alle fünf Eisenbahnwaggons, in denen die Separatisten die Todesopfer aufbewahrten.

Entgegen bisherigen Darstellungen der Aufständischen war von einer Kühlung der sterblichen Überreste jedoch nichts zu bemerken. Der Zug mit den Opfern des Flugzeugabsturzes soll noch am Montag den von Separatisten kontrollierten Bahnhof Tores verlassen. Er wolle, dass der Zug an einen Ort fahre, „wo wir unsere Arbeit machen können“, sagte der Chef des Identifizierungsteams.

Zwei Resolutionen vor UN-Sicherheitsrat

Zugleich wurden dem UN-Sicherheitsrat am Montag zwei Resolutionsentwürfe zum Flugzeugabsturz mit knapp 300 Toten vorgelegt. Russland hatte in der Nacht einen eigenen Vorschlag vorgelegt, der sich an einem Entwurf Australiens orientiert. Unterschiede gibt es bei der Rolle der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO).

Der australische Entwurf fordert von allen Beteiligten, insbesondere den prorussischen Separatisten, eine uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den internationalen Behörden. Gleichzeitig wird jede Manipulation an der Absturzstelle untersagt. In dem Papier wird gefordert, dass Flugschreiber und andere Beweise sofort ausgehändigt werden.

Dem Papier nach soll die ICAO zwar helfen und alle Dokumente auswerten, geleitet werden sollen die Ermittlungen aber von den nationalen Behörden - wie bei Abstürzen üblich. Die Russen wollen hingegen nicht, dass die ukrainischen Behörden die Verantwortung haben, sondern die ICAO.

Putin: Ukraine an Abschuss schuld

Russlands Präsident Wladimir Putin wies eine Verantwortung Russlands für den Absturz erneut zurück und warnte vor einem politischen „Missbrauch“ der Katastrophe. Hätte die Regierung in Kiew Ende Juni den Kampf gegen die Separatisten im Osten des Landes nicht wiederaufgenommen, wäre die Tragödie nicht geschehen. Das sagte Putin in einer am Montag in Moskau veröffentlichten Videobotschaft.

Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, Russland habe den Separatisten in der Ostukraine weder Luftabwehrraketen vom Typ SA-11 BUK noch irgendwelche anderen Waffen geliefert. Vielmehr habe sich ein ukrainisches Militärflugzeug der Passagiermaschine bis auf 3,5 Kilometer genähert. Das müsse die Regierung in Kiew erklären. Russische Überwachungssysteme hätten auch keinen Raketenstart entlang der Flugroute des Passagierflugzeuges registriert. Sollten die USA über Satellitenaufnahmen verfügen, sollten sie diese Russland zur Verfügung stellen. Putin rief zudem die Separatisten auf, die internationalen Experten bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Separatisten wollen Spezialisten zu Absturzort lassen

Ein Sprecher der Separatisten sagte, sie würden den Niederländern helfen, den Absturzort zu besichtigen und die Waggons zu inspizieren. Die Rebellen würden auch den Rat der Experten hören, wohin die Toten gebracht werden sollten.

Das Flugzeug von Malaysia Airlines ging mit 298 Insassen an Bord in einer von Separatisten kontrollierten Gegend im Osten der Ukraine zu Boden. Nach Darstellung der Ukraine wurde sie mit russischen Raketen abgeschossen.

Einseitige Waffenruhe um Absturzort

Die ukrainische Regierung ist indes bereit, die Leitung der Ermittlungen zum Absturz von Malaysia-Airlines-Flug MH17 niederländischen Experten zu überlassen. Die weitaus meisten Opfer stammten aus den Niederlanden, daher könne das Land auch die Koordinierung der Ermittlungen übernehmen, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Montag. Kiew sei auch bereit, „alle Leichen nach Amsterdam zu überstellen“, um fachgerechte Autopsien zu ermöglichen. Bis Montagmittag sollen 282 Todesopfer und 87 Leichenteile gefunden worden sein.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat der Armee befohlen, die Kampfhandlungen um den Absturzort unverzüglich einzustellen. „Ich habe angeordnet, dass die ukrainischen Militärs in einem Radius von 40 Kilometern vom Ort der Tragödie keine Operationen durchführen und das Feuer nicht eröffnen dürfen“, sagte er in Kiew. Poroschenko sprach sich auch für die Beteiligung russischer Experten an der Untersuchung des Absturzes aus. Ziel sei „maximale Transparenz“.

Indes gab die Fluggesellschaft Malaysia Airlines bekannt, dass sie den Familien der Absturzopfer eine Soforthilfe von 5000 Dollar zukommen lasse. Der Betrag werde nicht mit später fälligen Geldleistungen verrechnet, erklärt die Fluglinie. Außerdem würden die Klagemöglichkeiten der Betroffenen dadurch nicht geschmälert.

Sky-Reporter durchstöberte Gepäck von Opfern

Der britische Fernsehsender Sky News hat sich unterdessen für das pietätlose Verhalten eines Reporters entschuldigt, der an der Absturzstelle von Malaysia-Airlines-Flug MH17 das Gepäck eines getöteten Passagiers durchstöberte. Das Verhalten von Colin Brazier während einer Live-Sendung am Sonntag sei unangemessen gewesen, teilte das Medienunternehmen mit.

Sowohl der Reporter als auch der Sender bäten um Entschuldigung. Brazier hatte seinen Zuschauern bei einer Live-Schaltung in die Ostukraine den Inhalt eines geöffneten Koffers präsentiert und dabei einen Schlüsselbund in die Hand genommen. Der Verstoß gegen den üblichen Verhaltenskodex bei laufenden Ermittlungen war ihm offenbar bewusst, darauf deutet seine mitgeschnittene Aussage hin: „Wahrscheinlich sollten wir das gerade nicht wirklich tun.“

Braziers Verhalten löste einen Sturm der Entrüstung in sozialen Online-Netzwerken aus, einige Kommentatoren forderten seine Entlassung. BBC-Moderatorin Jacqui Oatley äußerte sich „erstaunt“ über das Vorgehen ihres Kollegen, der Medienwissenschaftler Joe Watson von der Baker-Universität sprach von einem „fürchterlichen Moment für den Journalismus“ (APA/Reuters)