Bregenzer Festspiele - Pountney 2: Erfolg mit „No-Escape-Policy“

Bregenz (APA) - APA: Sie bieten mit der Oper von HK Gruber, Bernhard Glanders „Das Leben am Rande der Milchstraße“, „Trans-Maghreb“ von Hans...

Bregenz (APA) - APA: Sie bieten mit der Oper von HK Gruber, Bernhard Glanders „Das Leben am Rande der Milchstraße“, „Trans-Maghreb“ von Hans Platzgumer und Peter Herbert sowie „Die unerwartete Schwalbe“ von Simon Laks gleich vier Uraufführungen an. Ist das Bregenzer Publikum abseits der Seebühne doch risikofreudig?

Pountney (lacht): Sie haben es gelernt. Das ist das Schöne. Ich bin einer konsistenten und stringenten Programmierung gefolgt, die ich etwas humorvoll die „No-Escape-Policy“ nennen würde: Ich programmiere nicht irgendwo parallel Brahms und Dvorak, wohin sich die Leute alle flüchten können, sondern ich bleibe streng auf unserer kulturpolitischen Linie und erziehe damit das Publikum. Wir haben auch mit unseren Auftragswerken 90 Prozent Auslastung erzielt. Das ist sehr erfolgreich. Natürlich wird „Hoffmanns Erzählungen“ (2015 als „Hausoper“ vorgesehen, Anm.) mehr Karten verkaufen, das ist klar.

APA: Haben Sie Angst, dass die Bregenzer Festspiele nach Ihnen die Risikofreudigkeit verlassen könnte?

Pountney: Nein, auch ich habe Zeit gebraucht, um mit dem Bregenzer Milieu richtig umgehen zu können. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Nachfolgerin. Ich glaube, dass die Bregenzer Festspiele, wenn diese Geldproblematik richtig gelöst ist, mit Elisabeth (Sobotka, Anm.) eine sehr gute Zukunft haben.

APA: „Die Zauberflöte“ ist heuer zum zweiten Mal zu sehen. Sie haben versprochen, dass Sie weiterarbeiten, und dass auch jene, die im vergangenen Jahr hier waren, Neues zu sehen bekommen. Was wird das sein?

Pountney: Viele kleinere Sachen sind neu. Wir haben zwei sehr schöne Puppenvögel erfunden. Ich wollte zeigen, dass Papageno nie wirklich erfolgreich als Vogelfänger ist. Er ist für mich eigentlich ein sehr einsamer Mensch. Wir haben eine sehr charmante Art gefunden, das zu zeigen, mit zwei Vogel-Puppen, die ihn durch das ganze Stück begleiten. Wir haben die Feuerprobe wesentlich verbessert, die ist jetzt sehr schön, und wir haben viele weitere Kleinigkeiten verändert. Das liegt in der Natur des Stückes: Man ist mit der „Zauberflöte“ nie fertig. Man braucht für sie alle vier Minuten einen neuen Einfall. Wenn man sich das gelassen ansehen kann, dann kann man sich im zweiten Jahr genau auf diese Punkte konzentrieren. Denn die Hauptsache läuft von alleine, die ist in Ordnung.

APA: Die zweite Hauptsache dieser Saison heißt Nali Gruber. Was zeichnet ihn als Komponisten aus, dass Sie so auf ihn setzen?

Pountney: Ich glaube, er hat eine enorme Theatralität in seiner Person, in seiner Musik, in seinem Verhältnis zum Theater. Er ist als Musiker, als Mensch, als Komponist auch ein herausragender Kommunikator mit dem Publikum - und das ist für uns wichtig. Wir sind hier in keinem Ghetto für zeitgenössische Musik. Wir haben kein Spezialisten-Publikum, sondern ein ganz normales Publikum. Ich habe über diese drei Auftragswerke versucht, es ganz normal zu machen, dass man in eine neue Oper geht, wie man eben in einen neuen Film geht, ein neues Buch liest, ein modernes Kleid kauft oder in einem modernen Haus wohnt. Diese Normalität wollte ich auch bei der Oper herstellen.

APA: Nach Bregenz haben Sie ein ganz dichtes Programm. Sie inszenieren in Cardiff, wo Sie die Welsh National Opera leiten, in Warschau, Prag, Zürich, Chicago und so weiter. Haben Sie mit Bregenz jetzt Ballast abgeworfen und können sich nun Dingen widmen, auf die Sie im vergangenen Jahrzehnt deswegen verzichten mussten?

Pountney: Ich glaube ja eigentlich, dass ich ein bisschen weniger mache als früher. (schmunzelt) Aber es stimmt, dass es manchmal etwas zu viel war, diese zwei Jobs gleichzeitig zu haben. Ich muss mich jetzt auf Wales konzentrieren. Das ist keine einfache Herausforderung, und die Finanzprobleme sind dort noch größer als hier.

APA: Werden Sie den See sehr vermissen? Oder können Sie ihn nicht mehr sehen?

Pountney: Nein, ich würde sofort annehmen, wenn mir jemand noch eine See-Inszenierung anbieten würde...

APA: Auf nach Mörbisch!

Pountney: Nein, ich meine diese Seebühne hier. Es ist eine so große Freude, hier zu arbeiten. Ich liebe die Freiheit, die Proportionen hier immer wieder neu zu bestimmen.

APA: Sie bewegen sich in Ihrer Arbeit ganz natürlich zwischen der britischen Insel und Festland-Europa. Wie sehen Sie die Entwicklung der britischen Politik, die immer mehr Richtung splendid isolation zu tendieren scheint?

Pountney: Ich finde das dumm. Man muss das aber auch ein bisschen verstehen: Die Struktur der Europäischen Union ist aus historischen Gründen zentralistisch und statisch. Das ist der Kultur Englands völlig fremd. Das war immer ein Problem: Es passt nicht zu unserer Haltung. Und vor der Währungsunion hätte eigentlich eine politische Union stehen müssen. Daher gibt es dieses demokratische Defizit: Es herrscht Bürokratie, nicht Demokratie. Dennoch fände ich es wirklich doof, wenn sich Großbritannien aus der EU zurückziehen würde.

APA: Und die Bestrebungen Schottlands nach Selbstständigkeit?

Pountney: Das wäre ein historischer Rückschritt, ein völlig überholtes, altmodisches Konzept. Man sollte versuchen, Nationen abzubauen, nicht neu zu kreieren. Der einzige Bereich, wo man noch auf Nationen bestehen sollte, ist im Sport. Das ist die richtige Spielwiese für nationalen Chauvinismus. (lacht) Im Cricket will ich unbedingt, dass wir Indien schlagen!

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - www.bregenzerfestspiele.at)