Salzburger Festspiele: Sänger-Unisono als steiniger Weg zu Allah
Salzburg (APA) - 14 arabische Sänger in weiß und vier Instrumentalisten am Sonntag in der Salzburger Kollegienkirche - es sind Mitglieder de...
Salzburg (APA) - 14 arabische Sänger in weiß und vier Instrumentalisten am Sonntag in der Salzburger Kollegienkirche - es sind Mitglieder des ägyptischen Al-Tariqa al-Gazoulia-Ordens, die erstmals im öffentlichen Raum „beten“. Die Salzburger Festspiele haben in ihrer „Ouverture spirituelle“ heuer der geistlichen Musik christlicher Tradition die Musik des Islam gegenübergestellt und Sufi-Sänger aus Kairo engagiert.
Sufi ist keine Religion. Sufi ist ein spiritueller Weg zu Gott durch Gebet. Den gibt es in jeder Religion. Die Sufis versuchen, dem nicht personifizierten Gott mit Literatur sowie tranceartiger Musik und Tanz näher zu kommen. Ein geschlossener, nur von außen zu betrachtender (Männer)-Kreis ist Schutz dieses Rituals. Dies macht auch nachvollziehbar, warum diese intime Gottessuche nicht auf Bühnen, nicht für Eintrittzahler, nicht für Festspielgäste, nicht für Spiritualitäts-Touristen jeder Art veranstaltet werden kann, sondern im Kreis Eingeweihter gepflegt wird. So hält es auch der Al-Tariqa al-Gazoulia-Orden aus Kairo. Normalerweise. Gestern, Sonntag, Abend und am kommenden Donnerstag sind wohl die Ausnahmen.
Wie folkloristisches Schau-Beten wirkte das Gastspiel der Sufi-Sänger nicht. Und doch, Spiritualität und eine Premierengesellschaft der Festspiele vertragen sich nicht so ohneweiteres. Nummerierte, knochige Kirchenstühle in Reih und Glied und entrückte Trance passen nicht so recht zueinander.
Zwar haben die Unisono-Gesänge in arabischen Tonskalen Kraft und Eindringlichkeit. Klar, fast hübsch, nachsingbar liedhaft und harmonisch wirken die 14 Männerstimmen, die von einer Viertelton-Oud, der Ney sowie den typischen Trommeln und Schellen tänzerisch, leichtfüßig und antreibend begleitet werden. Und die Redundanz der Gesangslinien schafft meditativen Sog. Körper wiegen sich im Takt und Stimmen hecheln unisono. Aber plötzlich ein Signal, ein Bruch, ein kompakter Wechsel von Tempo, Tonart und Lage, wie es ohne eindeutiges Arrangement, Proben und künstlerisches Konzept nicht geht. Formal blitz sauber, präzis und kontrolliert. Also doch eine Trance-Performance nach Noten.
Die Länge des Rituals sei nicht vorhersehbar, sagte Festspielkonzertchef Florian Wiegand vor dem Konzert, „vieles ist Improvisation“. Tatsächlich war so gut wie alles festgelegt, bis auf die Anzahl der Wiederholungen und Länge der Flötensoli. Schön und wirkungsvoll war es trotzdem. Ein bisschen lang vielleicht, besonders für jene, die die Kollegienkirche leise aber vor der Zeit verlassen haben. Weil sie zwei Stunden kraftvollem Gleichklang, aber nicht Gottes Unendlichkeit begegnet sind.