Zwischen Wut und Ratlosigkeit: Europa nach dem Absturz der MH17

Kiew/Brüssel (APA/dpa) - Der Abschuss eines Passagierflugzeugs über der Ukraine hat die EU erschüttert - und Rufe nach neuen Sanktionen gege...

Kiew/Brüssel (APA/dpa) - Der Abschuss eines Passagierflugzeugs über der Ukraine hat die EU erschüttert - und Rufe nach neuen Sanktionen gegen Russland ausgelöst. Die EU-Außenminister wollen sich auf eine gemeinsame Deutung der Rolle Moskaus im Ukraine-Konflikt verständigen.

Besorgt sind die Außenminister der 28 EU-Staaten oft, aber wenn sie sich am Dienstag (09.30 Uhr) in Brüssel treffen, dann lasten auch Wut und Ratlosigkeit auf der Ministerrunde. Nach dem Abschuss des malaysischen Verkehrsflugzeugs MH17 geht es nicht nur um eine Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland. Diplomaten sagen, manche EU-Regierung treibe die Sorge um, Moskau könne sich in eine internationale Isolation lavieren, in der es als Gesprächspartner nicht mehr ernst genommen werde.

„Es gibt eine Menge Wut, besonders bei den Niederländern, aber nicht nur dort“, sagt ein EU-Diplomat über die Stimmungslage in den EU-Hauptstädten. Die Art und Weise, wie sich Russlands Präsident Wladimir Putin nach dem Absturz für unzuständig erklärte und wie die von Russland unterstützten Separatisten mit den Toten und deren Habseligkeiten umgingen, hat zu Ärger und Fassungslosigkeit im Westen geführt. Dass die Außenminister eine internationale Untersuchung des Abschusses und die Bestrafung der Schuldigen fordern werden, ist eher Formsache.

Nicht ganz so einig werden die Vertreter der EU-Regierungen sein, wenn es um die Frage neuer und schärferer Sanktionen gegen Russland geht. Wie schon bisher kurz vor EU-Sanktionen hat Putin auch jetzt wieder erklärt, was der Westen erwartet: „Russland unternimmt alles, damit der Konflikt zu Gesprächen mit friedlichen und ausschließlich diplomatischen Mitteln übergeht“, ließ er in der Nacht auf Montag wissen. Und er unterstütze eine Untersuchung des Absturzes durch die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO).

Derlei öffentliche Bekundungen stehen nach Ansicht vieler EU-Regierungen freilich in einem Widerspruch zu dem, was an Ort und Stelle mit Billigung und tätiger Unterstützung durch Russland geschehe. Seit Monaten beklagen westliche Politiker, dass das gesprochene Wort Putins oft den tatsächlichen Ereignissen entgegenstehe. Ratlosigkeit mache sich breit, wenn man Worte Putins und Handlungen seiner Regierung zu verstehen suche.

„Was passiert, ist wirklich grotesk und steht im Gegensatz zu allem, was Putin und Russland zu tun angekündigt haben“, wetterte US-Außenminister John Kerry erst am Sonntag. Und verwies darauf, dass Russland im Juni die Separatisten nicht nur mit Panzern, Panzerwagen und Artillerie, sondern auch mit jenen SA-11-Raketen versorgt habe, die allen westlichen Erkenntnissen zufolge die Maschine der Malaysia Airlines vom Himmel holten.

„Wir müssen erkennen, dass seit Beginn der Krise die westliche Reaktion nie ausreichte, um Russlands Betragen zu beeinflussen. Das muss sich ändern“, sagt der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski. Er gehört mit seinen Kollegen aus den baltischen Staaten und aus Schweden zu jenen, die härtere Sanktionen der EU als die bisherigen fordern. Auch der Brite Philip Hammond gab die Parole aus: „Wir müssen das Gefühl des Schocks und der Empörung nutzen, um die öffentliche Meinung zu einer entschlosseneren Haltung zu bewegen.“ Und Kerry sagte zu EU-Sanktionen: „Wir reden mit unseren europäischen Partnern. Wir hoffen, dies ist ein Weckruf für einige Länder in Europa, die sich bisher nur zögerlich bewegen wollten.“

Zu jenen „zögerlichen“ Ländern gehören unter anderem Deutschland und Frankreich, obwohl diese am Wochenende gemeinsam mit Großbritannien „Konsequenzen“ für Moskau androhten. Tatsächlich hatten die Staats- und Regierungschefs der EU am 16. Juli eine Ausweitung der Sanktionen grundsätzlich beschlossen - wozu vor allem finanzielle Sanktionen sowie Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen milliardenschwere Oligarchen gehören, die „die verantwortlichen russischen Entscheidungsträger aktiv materiell oder finanziell unterstützen“. Ob eine neue Sanktionsliste mit Namen von Personen und erstmals auch Firmen am Dienstag beschlossen werden würde, war aber zunächst noch sehr ungewiss.