„Die Leute draußen haben geschrien“
Nach dem Großbrand im Innsbrucker O-Dorf sitzt der Schock tief, nicht nur bei den Mietern. Vor allem die ungesicherte Lagerung einer großen Menge an Gasflaschen am Dach des Hauses wirft viele Fragen auf.
Von Katharina Zierl
Innsbruck –Brandgeruch liegt in der Luft. Christian Karnassnig ist müde. Er sitzt mit anderen Betroffenen vor einem Café. Sein Blick ist auf das Dach des naheliegenden Wohnhauses gerichtet. Er selbst wohnt im dritten Stock. Geschlafen hat er fast nichts. Das Areal rund um das Gebäude im Innsbrucker O-Dorf ist abgesperrt.
Gegen 22 Uhr hörte Karnassnig am Sonntag die Sirenen. „Ich bin auf den Balkon gegangen. Unten standen einige Leute und haben geschrien, dass ich aus dem Haus kommen soll, weil es brennt“, sagt Karnassnig. Er habe in Richtung Dach geschaut, das Feuer gesehen und sei rausgelaufen, dann habe es einen Riesenknall gegeben. „Das hat in den Ohren richtig weh getan, so laut war das“, erklärt der Betroffene. Karnassnig ist einer von rund 300 Menschen, die in der Nacht auf Montag evakuiert werden mussten. Das Dach eines Wohnhauses geriet in Brand. Drei Gasflaschen explodierten auf Grund der durch das Feuer entstandenen Hitze. 16 weitere stellte die Feuerwehr sicher. „Die Flaschen befanden sich bereits seit Donnerstag auf Grund von Sanierungsarbeiten auf dem Dach“, sagt Franz Danler, Geschäftsführer der Innsbrucker Immobiliengesellschaft.
Ob die ungesicherte Lagerung von Gasflaschen – noch dazu in großer Menge – am Dach eines Hochhauses gefährlich sei, wollte gestern bei der Pressekonferenz niemand beantworten. „Das will ich nicht beurteilen. Uns geht es darum, festzustellen, was die Brandursache ist“, betont LKA-Chefermittler Markus Hammerl. Die Erhebungen seien erst in der Anfangsphase. Fest steht derzeit nur, dass es keine technische Ursache gab, keine Brandbeschleuniger gefunden wurden und es vorerst keine Hinweise auf einen möglichen Täter gab.
Erst gegen drei Uhr nachts konnte das Feuer gelöscht werden. Die meisten der Evakuierten des betroffenen Hauses sowie der Nebengebäude kamen bei Verwandten, Freunden und Nachbarn unter. „20 übernachteten in einer Notunterkunft im Mehrzwecksaal“, schildert Christian Schneider vom Roten Kreuz. Alle Betroffenen seien sehr ruhig gewesen, betont Innsbrucks Vizebürgermeister Christoph Kaufmann: „Es kam keine Panik auf. Alle waren den Umständen entsprechend relativ gelassen.“
Die meisten Bewohner konnten bereits gestern wieder in das Haus zurück. Nur die Mieter im obersten Stockwerk müssen sich länger gedulden. „Wir gehen derzeit davon aus, dass sie auf Grund der entstandenen Schäden erst in zwei Monaten wieder in ihre Wohnungen können“, sagt Danler. Inzwischen werden sie in Ersatzquartieren untergebracht, betont Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer, die gestern darauf hinwies, „wie reibungslos der ganze Einsatz funktioniert hat“. Das bestätigt auch Necmettin Sarikaya, ein weiterer Bewohner des betroffenen Hauses: „Wir wurden rasch evakuiert. Es ging alles sehr schnell.“ Er selbst sei bei keinen Bekannten untergekommen, sondern blieb die ganze Nacht über vor dem Haus. „Ich habe gar nicht geschlafen, ich wollte wissen, was weiter passiert“, sagt Sarikaya. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen drei minderjährigen Kindern lebt er im fünften Stock des Hauses. „Meine Frau musste mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung in die Klinik, jetzt geht es ihr aber wieder gut“, erzählt Sarikaya. Es sei „Glück im Unglück“ gewesen, dass bei dem Großbrand nicht mehr passiert ist, betont der dreifache Familienvater. 21 Personen wurden bei dem Brand verletzt, großteils handelt es sich um Rauchgasvergiftungen. Drei leicht Verletzte mussten in der Klinik stationär aufgenommen werden.
Die Nacht sitzt allen Beteiligten noch tief in den Knochen. Neben kollektiver Erschöpfung ist bei Mietern und Einsatzkräften dennoch auch Erleichterung spürbar, wie Kaufmann, selbst während des Brandes vor Ort, betont: „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.“