Flug MH17 - Experte: Ukraine hätte Luftraum früher sperren können

Wien (APA) - Nach dem Absturz des malaysischen Passagierflugzeuges MH17 in der Ostukraine hat der österreichische Experte für europäisches u...

Wien (APA) - Nach dem Absturz des malaysischen Passagierflugzeuges MH17 in der Ostukraine hat der österreichische Experte für europäisches und internationales Luftfahrtrecht, Sigmar Stadlmeier, die Frage aufgeworfen, ob die Ukraine nicht schon viel früher ihren Luftraum für die zivile Luftfahrt hätte sperren lassen sollen. Das Chicagoer Abkommen von 1944 würde dies erlauben, so Stadlmeier im APA-Gespräch.

Das Abkommen mache es für Nationalstaaten rein rechtlich möglich, die Sperre ihres Luftraumes - auch ohne Angabe von Gründen und ab jeder Höhe - zu veranlassen. Im Falle der Ukraine wäre der Grund jedoch ohnehin gegeben, so der Experte. Denn die Führung in Kiew hatte die Kontrolle über den Osten des Landes schon vor einiger Zeit verloren, die Gewährleistung der Sicherheit war deshalb fraglich. Generell liegt für den Vorstand des Instituts für Völkerrecht an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU) das Problem im Territorialstreit zwischen der Ukraine und Russland. Eigentlich hätte deshalb auch das Land selbst eine Sperre des Luftraums in der Region erlassen können. Dies erfolgte aber erst nach dem Unglück am Donnerstagabend - durch die europäische Luftraumaufsicht Eurocontrol.

Entscheiden sich Fluggesellschaften selbst, gewisse Regionen zu überfliegen, verursacht das natürlich einen Kostenanstieg. Entweder überfliege man Kriegs- und Krisenregionen großzügiger oder in größerer Höhe - in beiden Fällen benötigt man jedenfalls mehr Zeit und Treibstoff. Nach dem möglichen Abschuss des Fluges MH17 mit fast 300 Toten könnten sich nach Ansicht von Stadlmeier sowohl Fluggesellschaften als auch Kunden dafür entscheiden, mehr für Sicherheit auszugeben. Vielleicht sei man künftig „geneigt, auf der sicheren Seite zu bleiben“, erklärte er. An grundlegende Änderungen in der internationalen Luftfahrt glaubt der Wissenschafter aber nicht.

Ob sich die Airlines schon früher dazu entscheiden hätten sollen, die Ostukraine angesichts der seit Monaten anhaltenden Kämpfe zwischen der ukrainischen Armee und den prorussischen Separatisten nicht zu überfliegen, wollte der Völkerrechtsexperte nicht beantworten. Solche Entscheidungen seien schwierig, solange keine detaillierten Informationen darüber vorlägen, über welche Waffen die Konfliktparteien verfügten. Die Frage, ob ein Gebiet auf Verdacht überflogen werden solle oder eben nicht - würde wohl einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich ziehen, erklärte Stadlmeier.

Zum Vorschlag des ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk, die Verantwortlichen für den Absturz der malaysischen Boeing vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH/ICC) stellen lassen, sagte Stadlmeier , dass dies „überhaupt keine Rolle“ spiele. Beide betroffenen Staaten, sowohl die Ukraine als auch Russland, hätten nicht das Römische Statut des IStGH - die vertragliche Grundlage des Gerichtshofs mit Sitz in Den Haag - ratifiziert. Es gebe deshalb keine Zuständigkeit des IStGHs für diese Staaten. Strafrechtlich liege der Ball derzeit jedenfalls bei der Ukraine.