Flug MH17 - Stichwort: Wie versichert man ein Passagierflugzeug?

Berlin (APA/Reuters) - Nach dem Absturz einer malaysischen Passagiermaschine in der Ostukraine mit fast 300 Toten sind zahlreiche Fragen off...

Berlin (APA/Reuters) - Nach dem Absturz einer malaysischen Passagiermaschine in der Ostukraine mit fast 300 Toten sind zahlreiche Fragen offen. Nicht nur die Unglücksursache ist weiterhin unklar. Die Versicherer versuchen derzeit, neben der menschlichen Tragödie den finanziellen Schaden zu bemessen. Hauptversicherer des Unglücksjets ist die Allianz.

Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Flugzeugversicherung:

UM WELCHE VERSICHERUNGEN GEHT ES ÜBERHAUPT?

Im Grunde ist ein Flugzeug wie ein Auto versichert - in Form der klassischen Kaskoversicherung für den Gegenstand (hull) und der Haftpflichtversicherung für Personenschäden (liability). Nur letztere ist gesetzlich vorgeschrieben. Wenn Angehörige von Opfern eines Flugzeugunglücks Schadenersatzforderungen stellen, dann reicht die Fluggesellschaft diese an die Versicherer weiter.

UM WELCHE DIMENSIONEN GEHT ES?

In der Regel ist eine große Passagiermaschine mit etwa 100 Mio. Euro versichert - leicht über dem Marktwert des Flugzeugs. Die Haftpflichtversicherung für die Passagiere beläuft sich auf ein Vielfaches davon. Allerdings übernimmt nie ein einzelner Versicherer die Risiken allein, sondern es gibt immer einen „Pool“ an Assekuranzen, um die potenzielle Last auf mehreren Schultern zu verteilen. Erstversicherer reichen solche großen Risiken meistens zum Teil an Rückversicherer weiter.

WAS IST MIT SCHADENERSATZFORDERUNGEN?

Wie viel die Haftpflicht-Versicherung pro verunglücktem Passagier auszahlt, variiert von Land zu Land. Als besonders teuer gelten US-Passagiere, weil in den USA recht hohe Schadenersatzklagen geltend gemacht werden können - erst recht, wenn der Fluggesellschaft Fehler oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden können. Mit dem Warschauer Abkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr von 1929 wurde einst versucht, Standards einzuführen - indem die Haftungsgrenze pro Passagier auf 75.000 US-Dollar (rund 55.500 Euro) begrenzt wurde, unabhängig von der Frage, ob die Airline schuld ist am Unglück oder nicht. Das Abkommen gilt inzwischen aber als überholt und wurde mehrfach durch neue Verträge ergänzt. Inzwischen hat sich die Haftungsgrenze deutlich nach oben verschoben - auf etwa 135.000 US-Dollar.

In der Praxis sieht es oft so aus, dass die Fluggesellschaft und der Hauptversicherer Soforthilfe an die Hinterbliebenen auszahlen und die rechtlichen Details später klären. Bis alles Geld geflossen ist, gehen normalerweise drei bis fünf Jahre ins Land. Werden Streitfragen vor Gericht geklärt, kann es sogar zehn Jahre dauern.

WELCHEN UNTERSCHIED GIBT ES ZWISCHEN UNGLÜCK UND ANSCHLAG?

Ist ein Flugzeug nachweislich aufgrund eines Terroranschlags oder Bürgerkriegs verunglückt, dann greift nicht die normale Kaskoversicherung, sondern die Schadenregulierung erfolgt über den Kriegskaskomarkt. Dabei handelt es sich allerdings um eine Art „Zusatzversicherung“, die Fluggesellschaften gegen einen Aufpreis separat abschließen müssen. Fast alle Fluggesellschaften haben diese Policen, die von Spezialversicherern etwa auf dem Versicherungsmarkt Lloyd‘s of London angeboten werden. Darauf dringen - ebenso wie bei der normalen Kaskoversicherung - schon allein die Leasinggesellschaften, die die Flugzeuge finanzieren.

In Deutschland hatte die Versicherungswirtschaft nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York (9/11) außerdem den Spezialversicherer Extremus ins Leben gerufen. Er versichert Unternehmen gegen Risiken aus teuren und unkalkulierbaren Terroranschlägen in Deutschland. Die Versicherer stellen dabei insgesamt 2 Mrd. Euro zu Verfügung, mit Unterstützung der deutschen Regierung kann diese Summe auf 10 Mrd. aufgestockt werden. Extremus greift allerdings nur bei nicht-beweglichen Objekten am Boden: Wäre 9/11 hierzulande passiert, dann wären beispielsweise die Türme versichert gewesen, nicht aber das Flugzeug.