Ukraine-Krise - Spannung vor Tagung des russischen Sicherheitsrates

Moskau (APA) - Vor einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates am heutigen Dienstagnachmittag (14.00 Uhr MESZ) wird über einen Paukenschla...

Moskau (APA) - Vor einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates am heutigen Dienstagnachmittag (14.00 Uhr MESZ) wird über einen Paukenschlag in der Ukraine-Krise spekuliert. Das Gremium soll offiziell über die „Sicherstellung der Souveränität und territorialen Integrität“ Russlands beraten. Der nach dem Flugzeugabschuss über der Ostukraine unter Druck geratene Kreml könnte dabei einen Kurswechsel vollziehen.

Präsident Wladimir Putin steht nach dem Absturz von Flug MH17 unter massivem internationalem Druck. Fast den gesamten Sonntagabend hatte Putin mit westlichen Regierungsspitzen konferiert. Dabei musste er sich nach Kreml-Angaben der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem britischen Premierminister David Cameron, dem australischen Premierminister Tony Abbott, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und dem französischen Präsidenten Francois Hollande erklären.

Wie ernst die Lage ist, zeigte sich auch daran, dass der Präsident nach dem Gespräch mit Hollande eine Videobotschaft aufnahm, die am Montag um 1.40 Uhr Moskauer Ortszeit auf der Homepage des Kreml veröffentlicht wurde. Der Zwei-Minuten-Auftritt wirkte für Putin‘sche Maßstäbe ungewöhnlich improvisiert und gehetzt. Es wurdde ohne Ansteckmikrofon und in schlechter Tonqualität aufgezeichnet. Putin war anders als bei seinen Fernsehauftritten üblich nur unzureichend geschminkt.

Putin forderte in seiner Botschaft ungehinderten Zugang von internationalen Experten zur Absturzstelle der MH17 sowie eine diplomatische Lösung der kriegerischen Auseinandersetzung im Osten der Ukraine.

Ob der russische Präsident damit die drohende Verschärfung der Sanktionen durch die westlichen Staaten abwenden kann, ist fraglich. Die EU-Außenminister wollen bei ihrer Sitzung am heutigen Dienstag darüber beraten.

Zwischen der Sitzung der Außenminister und jener des russischen Sicherheitsrates dürfte nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang bestehen. Medien tappen bezüglich der vom Kreml geplanten Maßnahmen im Dunkeln.

So mutmaßte die Kreml-nahe Tageszeitung Iswestija, dass in der Sitzung Maßnahmen gegen jenen Informationskrieg besprochen werden sollen, der laut Zeitung gegen Russland geführt werde. Laut einem anonymen Gesprächspartner des Mediums soll am Dienstag die Organisation einer „systematischen Konterpropaganda“ besprochen werden, die die öffentliche Meinung im Ausland und in Russland mithilfe von Internet-Technologien beeinflussen soll.

Er wisse zwar nicht, ob es (bei der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, Anm.) zu einem Wendepunkt komme, rechne aber damit, dass etwas Wichtiges passiere, erklärte etwa der russische Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow in einem Interview mit slon.ru: „Wladimir Putin war in seiner ganzen Regierungszeit noch nie in einer so außenpolitisch so schwierigen Lage. Von ihm werden nun ungewöhnliche Handlungen verlangt - ein einfaches Aussitzen in dieser Situation wird nicht funktionieren.“

Von einer „schicksalsträchigten Sitzung“ und einem „Schlüsselereignis“, das laut Experten die internationale Rolle Russlands in der aktuellen Situation bestimmen werde, sprach am Abend der liberale Fersehsender Doschd: „Es ist völlig untypisch, dass der Kreml das Thema dieser nicht öffentlichen Sitzung vorweg derart breit angekündigt hat.“ Als eine der radikalsten Varianten stellte Moderator Anton Schelnow die mögliche Schließung der russischen Grenze zum Südosten der Ukraine dar, was Manövern der Separatisten ein Ende bereiten würde. „Genau dazu Barack Obama den russischen Präsidenten aufgefordert“, erklärte Schelnow.

Davon scheint Montagabend zumindest vor Ort noch keine Spur gewesen zu sein. „Ich weiß nichts über den morgigen Sicherheitsrat, aber etwa 10 Stück Grad (sowjetisches Mehrfachraketenwerfersystem, Anm.) bewegen sich jetzt gerade am russischen Donezk (Grenzstädtchen in der russischen Region Rostow, Anm.) vorbei und in Richtung (ukrainische, Anm.) Grenze“, twitterte in den Abendstunden Ilja Barabanow, der Sonderkorrespondent der Moskauer Tageszeitung Kommersant, aus der Grenzregion. Barabanow widersprach damit offiziellen russischen Angaben: Erst am Montag hatte ein Vertreter des russischen Generalstabs dementiert, dass Russland Waffen an die Aufständischen der Ostukraine liefere.