Vom Irrsinn der Glaubenskriege: „Der jüdische Kreuzfahrer“

Mainz/Wien (APA/dpa) - Die Parallelen sind unübersehbar: Ruth Weiss‘ „Der jüdische Kreuzfahrer“ Samson wandelt auf den Spuren des „Medicus“,...

Mainz/Wien (APA/dpa) - Die Parallelen sind unübersehbar: Ruth Weiss‘ „Der jüdische Kreuzfahrer“ Samson wandelt auf den Spuren des „Medicus“, des Helden aus Noah Gordons Buch. Beide Romane spielen im 11. Jahrhundert und teils an den gleichen Orten. Doch im Gegensatz zu Gordons jungem Robert Cole, der sich als Jude ausgibt, um im Orient Medizin studieren zu können, ist Samson von Geburt an Jude.

Weiss („Meine Schwester Sara“), die am 26. Juli ihren 90. Geburtstag feiert, stammt selbst aus einer jüdischen Familie, die 1936 nach Südafrika emigrierte. Aber auch dieses Land musste Weiss 1966 verlassen, weil sie sich vehement gegen die Apartheid engagierte. So kennt die Schriftstellerin Rassismus und Glaubensdiskriminierung ebenso aus erster Hand wie die jüdische Lehre, ihre Grundsätze und Traditionen. Ihre Schilderungen des jüdischen Lebens in Deutschland und die Probleme von „Nicht-Christen“ haben hochaktuellen Charakter.

Und damit beginnt auch die Handlung um Samson und seine Familie. Es ist das Jahr 1084. Der in Mainz lebende Rabbiner Isaak ben Ruben weiß, dass es an diesem Tag, an dem die christliche Gemeinde Fastnacht feiert, für Juden nicht ungefährlich sein wird. Doch trotz aller Vorsicht wird sein dreijähriger Sohn Samson vom trunkenen feiernden Volk entführt, zwangsgetauft und in ein Kloster verschleppt. Eine jahrzehntelange Odyssee des Kindes Samson, das als Julian zunächst Novize im Kloster und später Leibeigener des Ritters August von Raabe wird, nimmt ihren Lauf.

Der kluge, aufgeweckte Bursche, der seine wahre Herkunft nicht kennt, nimmt sein Leben selbst in die Hand und reiht sich freiwillig in den ersten Kreuzzug nach Jerusalem ein, um dort seine Berufung zum Mediziner zu erkennen. Trotz unglaublicher Irrungen und Wirrungen gelangt er ans Ziel. Unter anderem durch Lehren bedeutender Ärzte, wie beispielsweise Avicenna, der auch im „Medicus“ eine große Rolle spielt. Sein Lebensweg ist ein einziges Abenteuer - ein buntes Märchen vor allem für Jugendliche, mag auch der eine oder andere Leser Samsons bzw. Julians Geschichte mit ihren positiven Wendungen als ein wenig trivial ansehen.

Was das Buch aber auch für Erwachsene besonders wertvoll macht, ist die Konfrontation mit Vorurteilen, Intoleranz und Diskriminierung sowie die erschütternde und historisch korrekte Schilderung der Auseinandersetzungen zwischen den großen Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam, die an Grausamkeiten kaum zu überbieten sind. Analogien zur Gegenwart erwünscht. Dem Irrsinn von Glaubenskriegen begegnet der Held selbst mit großer Hoffnung: „Eines Tages wird es Frieden geben zwischen uns allen, sagte sich Samson ben Isaak. Wie konnte es anders sein?“

(S E R V I C E - Ruth Weiss: „Der jüdische Kreuzfahrer“, VAT Verlag Andre Thiele, Mainz, 360 Seiten, 20,40 Euro)