Salzburger Festspiele: Harnoncourts bleiernes Instrumental-Oratorium

Salzburg (APA) - Nikolaus Harnoncourt sieht in den Symphonien in Es-Dur (KV 543), in g-Moll (KV 550) und in C-Dur (KV 551) von Mozart eine f...

Salzburg (APA) - Nikolaus Harnoncourt sieht in den Symphonien in Es-Dur (KV 543), in g-Moll (KV 550) und in C-Dur (KV 551) von Mozart eine formale und inhaltliche Einheit. Als geschlossenes „Instrumental-Oratorium“ hat der Dirigent die drei letzten Symphonien aus dem Sommer 1788 bezeichnet. Daher wurden diese symphonischen Meilensteine bei den Salzburger Festspielen gestern, Montagabend, in einem Stück aufgeführt.

Auch wenn Harnoncourt die Zusammengehörigkeit der drei Werke „die Entdeckung seines Lebens“ nennt und durchaus plausibel argumentiert, muss man dieser Sicht auf Mozart nicht folgen. Aber es spricht nichts dagegen, eine Symphonie ohne Zwischenapplaus quasi im Tempo auf die nächste folgen zu lassen. Vor der „Jupiter-Symphonie“ (laut Harnoncourt „Apollo-Symphonie“) war die Pause für die Zuhörer ohnehin unvermeidbar. In jedem Fall war es spannend, ungewöhnlich und diskussionswürdig, was es da gestern, Montag, Abend von Harnoncourt und dem Concentus Musicus im Großen Festspielhaus zu hören gab - nur entspannt war es nicht.

Keine Frage, Harnoncourt schält unglaubliche Klangfarben aus dem Orchester, schafft akustischen Raum für Seitenthemen und oft niedergewalzte „Kleinigkeiten“ der Partitur. Er fegt die Lieblichkeit konsequent aus den Köpfen von Musikern und Publikum und bläst dem Kitsch den Marsch. Nie klang Mozart so dramatisch, so schroff, bissig und kratzbürstig, so abgründig und bedeutungsschwanger.

Verstärkt wird dieses Klangbild durch eine ebenso eigenwillige wie manchmal merkwürdige Tempodramaturgie. Harnoncourt lässt seine Musiker oft nur wenige Takte im gleichen Tempo spielen. Ein Rubato, eine Verzögerung jagt die andere, einzelne Töne werden in die Breite gezogen, Bremse und Gas und Gas und Bremse, und das bei jeder einzelnen der möglichen Wiederholungen. So sinnstiftend viele dieser „sprechenden“ Tempo-Variationen auch sein mögen, so gewollt und aufgesetzt wirken sie an anderer Stelle. Ja, Harnoncourts Mozart wirkt bei aller mitreißenden Kraft auch zerfleddert und unruhig.

Das musikantische Element, das Tänzerische hat da keine Chance. Mozart, der Brückenkonstrukteur zwischen klingender Lebensfreude und humanistischer Weisheit, hat plötzlich Blei an den Flügeln. In jedem Takt lauern Botschaften der Freimauer, und der Tod muss der Auftraggeber gewesen sein, weil es sonst keinen gab. Harnoncourt scheint sein Leben und seine Weltsicht als Musiker in diese drei Mozart-Symphonien zu projizieren. Seine (Über)-Interpretation ist singulär, radikal und bereichernd, weil sie Klangdimensionen aufreißt und Klischees zertrümmert. Aber Harnoncourt schießt auch übers Ziel hinaus und opfert die göttliche Leichtigkeit auf dem Privataltar der Analyse.