Arbeitskosten in Deutschland legen deutlich zu
Berlin (APA/Reuters) - Arbeit ist in Deutschland deutlich teurer geworden. Die Kosten für jede Arbeitsstunde stiegen von 2008 bis zum Jahr 2...
Berlin (APA/Reuters) - Arbeit ist in Deutschland deutlich teurer geworden. Die Kosten für jede Arbeitsstunde stiegen von 2008 bis zum Jahr 2012 um 9,3 Prozent auf durchschnittlich 30,70 Euro, wie aus den am Dienstag veröffentlichten ersten Ergebnissen der Arbeitskräfteerhebung 2012 hervorgeht.
Größter Kostentreiber waren laut Statistischem Bundesamt die Lohnnebenkosten, während die Löhne langsamer zulegten. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht den Anstieg der Arbeitskosten kritisch. Das gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Institut dagegen spricht von einer Normalisierung im europäischen Vergleich. Auch die Bundesbank hatte jüngst die Gewerkschaften zu höheren Lohnabschlüssen ermuntert, um die Binnennachfrage zu stärken.
Die Lohnnebenkosten, die Sozialbeiträge und Leistungen wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall beinhalten, stiegen nach Angaben der deutschen Statistiker um 9,2 Prozent, während Löhne und Gehälter um 8,2 Prozent zulegten. Zum Anstieg im Vierjahresvergleich trug mit 0,8 Prozentpunkten auch bei, dass kalenderbedingt weniger Stunden gearbeitet wurde.
Dabei fallen die Arbeitskosten in Ost- und Westdeutschland stark auseinander, nähern sich aber weiter an. Die Arbeitskosten je geleisteter Stunde lagen laut Statistischem Bundesamt 2012 im Osten mit 23,45 Euro um 26,6 Prozent unter dem Niveau Westdeutschlands (31,94 Euro). 2008 hatte der Abstand noch 27,9 Prozent betragen. Für den Arbeitsmarkt im Osten bringt das offenkundig keine Vorteile: Dort ist die Arbeitslosigkeit (Juni 2014: 9,5 Prozent) deutlich höher als im Westen (5,8 Prozent).
Den Unterschied zwischen Ost und West erklären die Statistiker vor allem mit der Beschäftigungsstruktur: Im Westen arbeitete im Verarbeitenden Gewerbe fast jeder Dritte in einem großen Unternehmen, im Osten nur jeder Siebente. In Großbetrieben liegen die Kosten wegen höherer Löhne und zusätzlicher Leistungen etwa doppelt so hoch wie in Kleinbetrieben. Den geringsten Abstand zwischen Ost und West gab es mit nur 5,0 Prozent in den vom öffentlichen Dienst geprägten Branchen.
Im europäischen Vergleich liegt Deutschland - nach Berechnungen für 2013 - bei den Arbeitskosten auf Platz sieben. Schweden hat demnach die höchsten, Bulgarien die geringsten Arbeitskosten. Dies waren aber nur vorläufige Zahlen auf der Grundlage der Arbeitskräfteerhebung 2008. Die Erhebung wird nur alle vier Jahre vorgenommen. Sie wird für den vierteljährlichen Arbeitskostenindex von den Statistikern fortgeschrieben. Für das erste Quartal 2014 hatten die Statistiker auf dieser Grundlage einen Anstieg der Arbeitskosten um 1,1 Prozent im Jahresvergleich errechnet, den geringsten Wert seit 2010.
Angesichts der steigenden Arbeitskosten nannte das arbeitgebernahe IW es problematisch, dass die Bundesbank die Gewerkschaften zu höheren Löhnen ermuntere. „Bereits im vergangenen Jahr lagen die Lohnstückkosten - also die Arbeitskosten je produziertem Gut - sowohl in der Industrie als auch in der Gesamtwirtschaft um 13 Prozent höher als im Vorkrisenjahr 2007“, sagte der IW-Experte Christoph Schröder. Im vergleichbaren Ausland seien die industriellen Lohnstückkosten dagegen in etwa konstant geblieben: „Damit hat Deutschland an Kosten-Wettbewerbsfähigkeit verloren.“ Zusätzliche Belastungen entstünden durch den gesetzlichen Mindestlohn.
Das Forschungsinstitut IMK der Hans-Böckler-Stiftung spricht dagegen von einer Normalisierung, da die Arbeitskosten in Deutschland vom Jahr 2000 bis zur Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 deutlich langsamer gestiegen seien als im Durchschnitt von Euroraum und Europäischer Union. Ein Anstieg der Kosten sei keine Gefahr, sondern trage zum Ausgleich der wirtschaftlichen Ungleichgewichte in den EU-Staaten bei. Kehrseite möglichst geringer Arbeitskosten sei eine schwache Lohnentwicklung, was sich in einer schwachen Binnennachfrage niederschlüge.
Auch die Deutsche Bundesbank signalisierte den Gewerkschaften jüngst, dass sie angesichts der Deflationsrisiken höhere Tarifabschlüsse empfiehlt. „In der Summe ist die Lohnentwicklung in Deutschland vor dem Hintergrund der guten konjunkturellen Lage, der niedrigen Arbeitslosigkeit und der günstigen Perspektiven durchaus moderat“, sagte Chefökonom Jens Ulbrich dem „Spiegel“.