Aids-Konferenz: Prostituierte mit Lack und Strapsen auf der Bühne
Melbourne/Wien (APA/dpa) - Als eine für Internationale Aids-Konferenzen „typische“ Mischung aus Wissenschaft, Ökonomie und Selbsthilfe-Szene...
Melbourne/Wien (APA/dpa) - Als eine für Internationale Aids-Konferenzen „typische“ Mischung aus Wissenschaft, Ökonomie und Selbsthilfe-Szenen stellte sich am Dienstag auch die aktuelle Veranstaltung in Melbourne (bis 25. Juli) heraus. Die Eigendarstellung von Sexarbeitern und neue wissenschaftliche Ansätze in der Therapie der Immunschwächekrankheit sorgten für Aufsehen.
Mit einem roten BH unter schwarzer Spitze, ellenlange Beine in Netzstrümpfen unter einem Lack-Minirock: So stand Emy Fem aus Berlin auf einer Bühne. In einer Performance über Sexarbeit forderte sie Stereotypen heraus: „Sind Sexarbeiterinnen Sklaven, Drogenabhängige, verkaufen sie ihre Seele? Oder sind es Menschen mit Gefühlen? Ich ficke für Geld, aber ich bin kein Opfer, ich schäme mich nicht für meinen Job“, rief sie.
Die wissenschaftliche Basis dafür legte die britische Medizin-Fachzeitschrift „The Lancet“ mit einer ganzen Reihe von Studien vor. Fazit: „Sex-Arbeiter sind überproportional von HIV-bedroht. In Staaten mit niedrigem oder mittlerem Bruttoinlandsprodukt haben weibliche Prostituierte das 13,5-fache Infektionsrisiko im Vergleich zu Frauen in der Allgemeinbevölkerung.“
So würde die Verhinderung von sexueller Gewalt gegen diese Frauen, nämlich durch den Gebrauch von Kondomen, in einem Land wie Kenia 17 Prozent der neuen HIV-Infektionen verhindern, in Kanada beispielsweise ein Fünftel. Die Behandlung von HIV-positiven Prostituierten mit den modernen Aids-Medikamenten würde in Kenia innerhalb von zehn Jahren ebenfalls 34 Prozent der Neuinfektionen verhindern. Den größten Effekt aber - so die Autoren - hätte die Entkriminalisierung der Prostitution. Dadurch könnten 33 bis 46 Prozent der HIV-Infektionen verhütet werden. Weltweit leben derzeit knapp mehr als 35 Millionen Menschen mit HIV/Aids.
Die Untersuchung von Christopher Murray von der University of Washington in den USA erbrachte einige überraschende neue Daten. Sie wurde am Dienstag bei der Internationalen Aids-Konferenz in Melbourne präsentiert und im „Lancet“ veröffentlicht.
Ebenfalls bei der Aids-Konferenz vorgestellt und vom „Lancet“ publiziert wurde eine Untersuchung über die Auswirkungen der Millenniums-Deklaration aus dem Jahr 2000 mit seither Milliarden-Aufwendungen zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. So hat sich die Zahl der jährlichen HIVNeuinfektionen vom Gipfelpunkt von 2,8 Millionen im Jahr 1997 auf nunmehr 1,8 Millionen reduziert. 2012 dürften weltweit 29 Millionen Menschen mit HIV/Aids gelebt haben, weniger als von UNAIDS geschätzt (rund 35 Millionen). Seit 1996 hat die medikamentöse Behandlung der Erkrankten und Infizierten weltweit 19,1 Millionen Lebensjahre gerettet.
Die Zahl der Todesopfer durch Tuberkulose ist von 1,6 Millionen im Jahr 2000 auf 1,4 Millionen im Jahr 2013 gefallen. Trotzdem stieg die Zahl der Erkrankten von 8,5 Millionen im Jahr 1990 auf zwölf Millionen im Jahr 2013. Schließlich gab es im Jahr 2003 weltweit die bisher höchste Zahl an Malariaerkrankungen mit 232 Millionen Fällen. Bis 2013 wurde eine Reduktion um 29 Prozent auf 165 Millionen erreicht. 2004 gab es die bisher meisten Malaria-Opfer mit 1,2 Millionen Toten, für 2013 kalkulierten die Wissenschafter eine Zahl von 855.000 Opfern, etwas mehr als die WHO (627.000).
Einen im Grunde alten Ansatz für zukünftige Aids-Therapien haben dänische Wissenschafter mit dem Krebsmedikament Romidepsin in einer ersten Studie erfolgreich erprobt: Es gelang, damit schlummernde HI-Viren aus ihren Zellen zu locken und sie so der Attacke durch das Immunsystem und durch Medikamente preiszugeben. Ole Sögaard von der Universität Aarhus blieb vorsichtig: „Es ist ein bedeutendes Ergebnis, aber es ist nur ein Schritt auf dem Weg, eine möglichen Heilung zu finden.“ Damit könnten Immuntherapien oder Behandlungsmethoden, welche HIV endgültig aus dem Körper der Infizieren eliminieren, erleichtert werden.