Dickes Fell in Paris

Paris (APA/AFP) - Schlimmer hätte es für Frankreich kaum kommen können: Während sich die Regierung in Paris anschickt, aller Kritik zum Trot...

Paris (APA/AFP) - Schlimmer hätte es für Frankreich kaum kommen können: Während sich die Regierung in Paris anschickt, aller Kritik zum Trotz zwei Kriegsschiffe an Russland zu liefern, haben anscheinend prorussische Separatisten mithilfe russischer Ausrüstung eine Passagiermaschine über der Ukraine abgeschossen.

Seither sind die mahnend-diplomatischen Worte vieler Verbündeter in ungewöhnlich harsche Kritik an dem französischen Rüstungsdeal umgeschlagen: Europas Werte und Sicherheit würden „zugunsten von Geschäften verraten“, trieb die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite die Kritik am Dienstag auf die Spitze.

Die Attacke von Grybauskaite fiel mit dem Treffen der EU-Außenminister zusammen, die in Brüssel über schärfere Sanktionen gegen Moskau berieten - auch über ein Waffenembargo. Als Wortführer der Gegner des französischen Rüstungsgeschäfts taten sich zuletzt Großbritannien und Schweden hervor. „Waffenlieferungen an Russland sind schwer zu verteidigen“, stellte Schwedens Außenminister Carl Bildt in Brüssel fest.

Zuvor hatte bereits der britische Premierminister David Cameron eine schärfere Gangart gegenüber Moskau wegen des Flugzeug-Abschusses verlangt. Es könne kein „business as usual“ geben, hob er am Montag hervor und nahm direkt die geplante Lieferung französischer Kriegsschiffe an Russland ins Visier: In seinem Land wäre es „undenkbar“, ein solches Geschäft weiterhin abzuwickeln.

Doch Paris bleibt stur: Präsident François Hollande stellte postwendend am Montagabend klar, dass das erste Mistral-Kriegsschiff an Moskau im Oktober geliefert werde. „Die Russen haben bezahlt; wir müssten 1,1 Milliarden Euro zurückzahlen“, wenn das Schiff nicht geliefert würde, sagte er. Schärfere Sanktionen könnten sich nur auf künftige Waffengeschäfte beziehen. Immerhin gestand er zu, dass die geplante Lieferung des zweiten Schiffes von der Haltung Moskaus in der Ukraine-Krise abhängen werde.

Für das wirtschaftlich angeschlagene Frankreich geht es bei dem Geschäft nicht nur um hohe Summen und um 500 Arbeitsplätze, sondern auch um den Ruf des Landes als verlässlicher Rüstungslieferant. So will Paris 126 Rafale-Kampfflugzeuge an Indien verkaufen, das im Rüstungsbereich enge Verbindungen zu Moskau pflegt.

Über die Parteigrenzen hinweg wird der Mistral-Deal daher in Frankreich gegen Kritik von außen verteidigt. Der seit dem Flugzeugabschuss immens gestiegene Druck führt allerdings auch in Paris zu einer drastischeren Wortwahl: Von einer „künstlichen Debatte, geführt von Heuchlern“, sprach am Dienstag der Parteichef der regierenden Sozialisten, Jean-Christophe Cambadélis. Cameron solle in London lieber „vor seiner eigenen Haustüre kehren“, wo russische Oligarchen ihre Finanzgeschäfte machten.

Denn am Dienstag zeichnete sich bereits ab, dass sich die Europäer doch schneller als gedacht auf ein Waffenembargo gegen Russland einigen könnten. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz kündigte in Brüssel an: „Die EU-Kommission wird beauftragt, zielgerichtete Maßnahmen vorzubereiten in den Bereichen Schlüsseltechnologien und Militär.“ Diese sollten schon „in den kommenden Tagen“ vorliegen.

Paris setzt darauf, dass solche Sanktionen sich nur auf künftige Waffengeschäfte beziehen und der erste Mistral-Hubschrauberträger dessen ungeachtet an Russland geliefert werden kann - trotz des öffentlichen Drucks. Ein dickes Fell hat sich die französische Regierung bei dem Geschäft ohnehin schon zugelegt, muss sich Paris doch seit dem Vertragsabschluss mit Russland im Jahr 2011 deutliche Ermahnungen aus den USA und von NATO-Verbündeten vor allem in Osteuropa anhören. US-Präsident Barack Obama brachte erst Anfang Juni erneut seine „Besorgnis“ zum Ausdruck.

Russland hingegen hat immenses Interesse an einer Lieferung der Kriegsschiffe, die je 16 Hubschrauber, 13 Panzer, etwa hundert Fahrzeuge und 450 Soldaten zu einem Einsatzort bringen können. Russlands Staatschef Wladimir Putin warnte die Franzosen erst kürzlich vor einer Annullierung des Vertrages: „Wir werden dann Entschädigung verlangen.“