Nahost - Mindestens 600 Tote in Gaza - AUA stellt Tel-Aviv-Flüge ein
Wien/Tel Aviv/New York (APA/dpa) - Israels Militäroffensive im Gazastreifen geht in die dritte Woche und fordert immer mehr Menschenleben. D...
Wien/Tel Aviv/New York (APA/dpa) - Israels Militäroffensive im Gazastreifen geht in die dritte Woche und fordert immer mehr Menschenleben. Die Zahl der Getöteten im palästinensischen Gebiet stieg auf mindestens 600 Tote an. „Hört auf zu kämpfen, fangt an zu reden“, rief UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Israelis und Palästinensern am Dienstag zu. Indes setzten die AUA und mehrere andere Fluggesellschaften die Flüge nach Tel Aviv aus.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und US-Außenminister John Kerry forderten ein sofortiges Ende der Gewalt. Die Ursachen des Konflikts in der Region müssten an der Wurzel gepackt und aufgearbeitet werden, damit die Situation „in den kommenden sechs Monaten oder einem Jahr“ nicht noch dieselbe sei, sagte Ban bei einer Pressekonferenz in Tel Aviv. Der UN-Generalsekretär begutachtete nach eigenen Angaben Foto- und Videomaterial zu den Raketenangriffen auf Israel durch die radikalislamische Hamas. Alle Länder hätten die „Verpflichtung zum Schutz“ ihrer Bürger, sagte er. Dabei müsse Israel aber „maximale Zurückhaltung“ üben, betonte er vor dem Hintergrund der zahlreichen palästinensischen Opfer.
Ban bat die UN-Staaten um 115 Millionen Dollar für die Menschen im Gazastreifen. „Das ist nur für das Nötigste. Wir müssen alle alles tun, um das Leiden dieser Menschen zu lindern“, sagte er am Dienstag auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York, zu der er per Videokonferenz aus Ramallah zugeschaltet war. Nach seinen Angaben haben 100.000 Palästinenser Zuflucht in UN-Einrichtungen gesucht. Fast zwei Dutzend UN-Einrichtungen hätten aber wegen der Kämpfe geschlossen werden müssen.
Riyad Manzu, der Vertreter der Palästinenser bei den UN, warf Israel beispiellose Härte vor. „Ohne Rücksicht schlachtet Israel ganze Familien ab. Die meisten Opfer sind Frauen und Kinder.“ Er las eine Reihe von Namen vor, bei denen es sich um Opfer des Konflikts handeln soll. Das jüngste war fünf Monate alt. „Unsere Krankenhäuser versinken im Blut der Unschuldigen.“
Israels Vertreter David Roet zitierte im ersten Satz „den großen deutschen Dichter und Staatsmann Goethe“, nachdem die Dinge direkt vor Augen am schwersten zu erkennen seien. „Wenn wir uns auf der Welt umschauen wird klar, dass der Islamismus die größte Gefahr ist.“ IS, Al-Kaida, Boko Haram, Hamas und Hisbollah kämpften gegen Demokratie und alles Moderne und stünden für Extremismus und Intoleranz. Israel sei die einzige liberale Demokratie in der Region. „Wir stehen in vorderster Front. Den Kampf, den wir heute führen, könnte morgen schon der Rest der zivilisierten Welt führen müssen.“
Kerry appellierte am Dienstag in Kairo insbesondere an die radikal-islamische Hamas, einer Feuerpause mit Israel zuzustimmen. „Die Hamas muss eine grundlegende Entscheidung treffen, die eine erhebliche Auswirkung auf die Menschen in Gaza hat“, sagte Kerry nach einem Treffen mit seinem ägyptischen Kollegen Zamy Shukri.
Ägypten hatte eine Waffenruhe vorgeschlagen, die die Hamas jedoch ablehnt. Kernforderung der Hamas für eine Waffenruhe ist eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens durch Israel und Ägypten. Sie ist in dem ägyptischen Vorschlag nicht enthalten.
Auch die Flugverbindungen nach Israel werden inzwischen in Mitleidenschaft gezogen. Aufgrund des Gazakonflikts stellte die AUA ihre Flugverbindung zwischen Wien und Tel Aviv vorerst für 36 Stunden ein. Andere Fluglinien, etwa Air France und Lufthansa stellten ihre Verbindungen ebenfalls ein. Die US-Luftfahrtbehörde FAA untersagte amerikanischen Fluggesellschaften zunächst für 24 Stunden Flüge zum wichtigsten internationalen Flughafen des Landes, Ben Gurion bei Tel Aviv.
Im Fall eines israelischen Soldaten, der angeblich in der Hand der Hamas ist, soll Israel Deutschland um Hilfe gebeten haben. Nach Informationen des arabischen Senders Al-Arabiya geht es dabei möglicherweise um Vermittlungsbemühungen. Der israelische Soldat, der an der Bodenoffensive beteiligt war, könnte demnach tot oder lebendig in den Händen der militanten Palästinenser sein. Eine Bestätigung Israels dafür gab es zunächst nicht.
Die humanitäre Krise in Gaza werde von Tag zu Tag schlimmer, sagte Kerry. „Wir haben zu viel Blutvergießen auf allen Seiten gesehen.“ Nach einer Waffenruhe müsse in ernsthaften Verhandlungen über alle Anliegen gesprochen werden, „die uns dorthin gebracht haben, wo wir heute sind“. Die USA geben 47 Millionen Dollar (34,7 Millionen Euro) für humanitäre Hilfe im Gazastreifen.
Auch am Dienstag gingen die Gefechte weiter. Bis zum Abend stieg die Zahl der Toten auf 620 und die der Verletzten auf 3.752. Bis zu 200.000 Menschen sollen in dem abgeriegelten Küstenstreifen auf der Flucht vor Tod und Verwüstung sein. Militante Palästinenser schossen 41 Raketen auf Israel ab, teilte die israelische Armee mit. Menschen wurden dabei nicht verletzt.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warf der im Gazastreifen herrschenden Hamas vor, mehr Verluste unter der eigenen Bevölkerung anzustreben. „Sie wollen, ich wiederhole, wollen mehr zivile Opfer“, sagte er. „Israel tut, was jedes Land tun würde, wenn Terroristen Raketen auf seine Städte hageln lassen würden“, sagte der Regierungschef. Die Hamas missbrauche Hilfslieferungen von Zement für neue „Terror-Tunnel“ nach Israel. Israel habe eine Waffenruhe akzeptiert, Hamas jedoch abgelehnt. „Wir haben diese Eskalation nicht gewählt.“
Auf israelischer Seite wurden 27 Soldaten und zwei Zivilisten getötet, mehr als 120 Soldaten wurden nach Medienberichten verletzt. Etwa 20.000 Israelis nahmen am Begräbnis eines Soldaten in Haifa teil, der bei Gefechten im Gazastreifen getötet worden war. Der 21-jährige Sean Carmeli war auch US-Staatsbürger.
Der palästinensisches Präsident Mahmoud Abbas und der Führer der Hamas-Exilorganisation, Khaled Mashaal, erörterten in der katarischen Hauptstadt Doha Möglichkeiten für eine Feuerpause. Palästinensische Führungskräfte sprachen von gewissen Fortschritten, wiesen aber darauf hin, dass eine Einigung zwischen Israel und der Hamas weiterhin nicht in Reichweite sei.
Nach gescheiterten Friedensinitiativen und andauerndem Beschuss aus dem Gazastreifen hatte Israel am 8. Juli mit Luftangriffen auf Ziele der Hamas begonnen. Am 17. Juli startete Israel seine Bodenoffensive. Damit sollen die Hamas-Tunnel zerstört und die Raketenangriffe auf Israel unterbunden werden.
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