Kamel statt Lamm - Jordanier ändern Essgewohnheiten
Amman (dpa) - Zur eigenen Hochzeitsfeier wollte Mohammed Hassan seinen Gästen etwas ganz Besonderes servieren. Lammfleisch wäre eigentlich d...
Amman (dpa) - Zur eigenen Hochzeitsfeier wollte Mohammed Hassan seinen Gästen etwas ganz Besonderes servieren. Lammfleisch wäre eigentlich das Mahl der Wahl gewesen, doch die Preise waren zuvor in die Höhe geschossen und deshalb für Hassan unbezahlbar. Huhn kam auch nicht infrage, gilt das Geflügel doch als Kleine-Leute-Essen und hätte den Gastgeber wie einen Geizhals aussehen lassen.
Die Rettung brachte dann ein Blick auf die Liste lokaler Delikatessen. „Auf Empfehlung meines Großvaters probierte ich es mit Kamel“, sagt der Jungvermählte aus der Hauptstadt Amman.
Am Ende ging der Plan auf. „Die meisten Gäste hatten noch nie in ihrem Leben Kamel gegessen, geschweige denn irgendwo Kamelfleisch gesehen. Aber sie haben es genossen“, sagt der 24-jährige Hassan. „Wir sehen sie ständig in der Wüste, am Straßenrand, aber aus irgendeinem Grund denken wir nicht daran, Kamele auch zu essen.“
Doch tatsächlich setzt derzeit ein Umdenken bei vielen Jordaniern ein. So ist in nicht wenigen Küchen eine Wiederbelebung jener traditionellen Beduinen-Küche zu beobachten, die über Jahrzehnte so etwas wie ein Markenzeichen Jordaniens sowie der Golf-Staaten gewesen ist.
Laut jordanischem Agrarministerium gibt es landesweit rund 8.000 Kamele. Angesichts steigender Kosten für Futter sowie eines abnehmenden Interesses an dem in vielen Teilen Jordaniens als „exotisch“ angesehenen Fleisch, ist die Zahl der Tiere laut Ministerium in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich gesunken.
Doch weil die Fleischpreise zuletzt in die Höhe schnellten und sich auch anderweitig die Lebenshaltungskosten spürbar verteuert haben, ist Kamelfleisch plötzlich zur begehrten Ware geworden. Um der Nachfrage annähernd gerecht zu werden, werden die Tiere mittlerweile aus Saudi-Arabien importiert. Angst vor dem tödlichen Coronavirus Mers haben die Jordanier dabei nicht. Bisher wurde in ihrem Land kein einziger Fall der tückischen Krankheit dokumentiert.
Schauplatz des Kamelfleisch-Handels ist die Wüstenstadt Maan, die rund 200 Kilometer von Amman und 30 Kilometer von der Grenze zu Saudi-Arabien entfernt liegt. Hierher kommen Beduinenhirten, um ihren Geschäften nachzugehen. Die Preise für ein ausgewachsenes Kamel liegen zwischen umgerechnet etwa 2.000 und 3.000 Euro.
Seit Jahresbeginn habe sich die Nachfrage nach Kamelfleisch etwa verdreifacht, sagt Ali Kreischan, Fleischer und einer der größten Kamelfleisch-Händler Jordaniens. „Zuvor haben wir 20 bis 30 Kamele im Monat geschlachtet, jetzt verkaufen wir mehr als 60 Stück - wir kommen gar nicht mehr hinterher“, sagt Kreischan.
Mittlerweile hat die Nachfrage nach dem Fleisch des Höcker-Tieres die nach Lamm überholt. „Normalerweise gab es Kamel bei uns nur im Fall von Sonderwünschen, während wir überwiegend Lamm verkauft haben“, sagt Anas al-Hamdan, Mitbesitzer einer Fleischhauerei in Sahab, einem Vorort von Amman. „Jetzt bieten wir Lammfleisch nur noch bei besonderen Gelegenheiten an.“
Tatsächlich spart der Wechsel von Lamm- zu Kamelfleisch vielen Haushalten eine Menge Geld. „Mit dem Geld, was ich sonst für Lammfleisch ausgegeben hätte, kann ich nun mein Haus möblieren oder mir ein Auto leisten“, sagt Hassan.
Und ganz nebenbei hat die Situation auch dazu geführt, dass viele Jordanier ihre Essgewohnheiten hinterfragen. „Was einst abschätzig als Beduinen-Essen betrachtet wurde, ist nun beliebt - jetzt interessieren sich die Jordanier für andere kulinarische Traditionen und erweitern so ihren Horizont“, sagt der Kulturredakteur bei der Tageszeitung „Al Rai“, Hussein al Dassa. „Das ist ein positiver Trend für alle - außer vielleicht für die Kamele.“