Salzburger Festspiele: Hossam Mahmouds „Seelenfäden“ mit losen Enden
Salzburg (APA) - „Ein Zeichen setzen für die Öffnung zu den Weltreligionen in Zeiten, die nicht von Toleranz geprägt sind.“ Das ist die erkl...
Salzburg (APA) - „Ein Zeichen setzen für die Öffnung zu den Weltreligionen in Zeiten, die nicht von Toleranz geprägt sind.“ Das ist die erklärte Absicht des Salzburger Festspiel-Intendanten Alexander Pereira, der seine Ouverture spirituelle heuer dem Islam gewidmet hat. Auch im Werkauftrag an den ägyptischen Komponisten Hossam Mahmoud sollte es um den musikalischen Brückenschlag vom Morgenland zum Abendland gehen.
Der in Salzburg lebende Hossam Mahmoud hat sein 85-minütiges Werk „Seelenfäden“ für Sufi-Chor, gemischten Chor und Ensemble auf Basis eines Textes von Mansur Al-Hallag (858-922) komponiert. Dieser berühmte, wegen Ketzerei („Gott ist Freiheit“) zu Tode gefolterte Sufi-Meister gilt heute wieder als der bedeutendste Mystiker des Islam.
Gestern, Dienstagabend, war die Uraufführung von „Seelenfäden“ in der voll besetzten Kollegienkirche. Dafür traf der Männerchor des Al-Tariqa al-Gazoulia Ordens aus Kairo auf der inselartigen Bühne in der Mitte der Kirche mit dem Salzburger Bachchor und neun Musikern des OENM (österreichisches Ensemble für neue Musik) zusammen. Musikalisch wirklich begegnet sind sie einander in Salzburg aber nicht.
Im Gegenteil. Die arabischen Sänger und ihre westlichen Kollegen wirkten isoliert, nie gelang ein substanzieller Brückenschlag. Hossam Mahmoud pendelte zwischen den Welten und sprang von einer zur anderen. Aber unter den einen Hut einer integrierenden musikalischen Idee kriegte er sie nicht - die Enden der „Seelenfäden“ blieben lose hängen.
Die Sufi-Sänger hatten körperlich-meditative Rhythmen zu singen. Meist ließ Mahmoud die Gäste aus Kairo stampfende Motive hecheln, die sich mit Energie aufluden, aufschaukelten aber dann schnell wieder versandeten und in sich zusammensackten. Der Bachchor hingegen klang wie eben ein Kirchenchor der neuen Musik, vollkommen körperlos und flirrend. Die einzelnen Stimmen rieben sich in Viertelton-Abständen oder warfen Klangsplitter ein und verschmolzen mit den bläserdominierten Instrumentalisten zu einem richtungslosen und aufgekratzten Klangbild. Nein, in „Seelenfäden“ gibt es keine Verbindung zwischen musikalischer Körper-Trance und intellektuellem Klangkonzept.
Dazwischen der Komponist selbst an der Oud. Er spielte dieses arabische Saiteninstrument schön, aber ohne Tempo. Mahmoud - gekleidet in schwarz wie Chor und Ensemble aus Salzburg und nicht in weiß wie die Musiker aus Ägypten - ist mit Haut und Haar der europäischen zeitgenössischen Musik verpflichtet. Zu seinen Landsleuten findet er musikalisch nicht zurück, weil er sich auf Körper und Rhythmus nicht einlässt. So steht „Seelenfäden“ mehr als es fließt, und an den offensichtlichen Schnittstellen klafft eine klangliche Kluft. Ein unüberbrückbarer musikalischer Abgrund, eine vergebene Chance.