Innenpolitik

Fall Josef S.: Ein Urteil mit politischen Nachbeben

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Nach dem umstrittenen Urteil gegen Josef S. stellt die Politik den Landfriedensbruch in Frage. Sorge herrscht ums Demonstrationsrecht.

Von Cornelia Ritzer

Wien –184 Personen wurden zwischen 2004 und 2013 wegen Landfriedensbruchs angeklagt, der bekannteste Fall ist Josef S. Er soll als Rädelsführer bei einer Demonstration gegen den Wiener Akademikerball im Jänner gewalttätig gegen Polizisten vorgegangen sein. Am Dienstag wurde er schuldig gesprochen, ein Jahr bedingte Haft lautete das Urteil. Da der deutsche Student bereits ein halbes Jahr in U-Haft saß, durfte er nach Verhandlungsende gehen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, erst am Freitag werden die Anwälte des 23-Jährigen bekannt geben, ob er das Urteil annehmen oder berufen wird.

Er sehe das Urteil mit einem lachenden und einem weinenden Auge, sagte Verteidiger Clemens Lahner nach dem Prozess. Josef S. sei nun zwar raus aus dem Gefängnis, juristisch sind er und die zweite Verteidigerin Kristin Pietrzyk aber unzufrieden mit dem Urteil. Denn man müsse sich nun auf ein „anderes Risikopotenzial“ einstellen als bisher, wenn man auf eine Demonstration geht.

Dass das Urteil abschreckend gegen Demonstranten wirken soll, befürchtet nicht nur die Anwältin von Josef S. Auch der Innsbrucker Politologe und Rechtsextremismusexperte Reinhold Gärtner teilt diesen Eindruck. Er ortet ein „Unverhältnis“ etwa bei der langen U-Haft für Josef S. Gewalt auf Demos sei aber „kein neues Phänomen“, weiß Gärtner. Deshalb fordert er, dass sich Organisatoren bereits im Vorfeld einer Demo von gewaltbereiten Gruppen abgrenzen. Beim Akademikerball sei etwa die Rolle der Wiener Jungen Grünen „eigenartig“ gewesen, die den Slogan „Unseren Hass könnt ihr haben“ auf einer Homepage hatten. Doch auch die Polizei müsse deeskalierend eingreifen, fordert der Politologe. Die habe bei der Demo im Jänner versagt.

Johann Golub, Pressesprecher der Wiener Polizei, will Kritik am Einsatz nicht kommentieren. Er betont jedoch, dass Demos nicht gefährlich werden, wie Kritiker meinen: „Das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht, das in der Bundesverfassung festgeschrieben ist. Und die Polizei hat zu gewährleisten, dass das Recht auf Versammlung für jedermann gewährleistet ist. Das ist überhaupt keine Frage.“ Dass Proteste künftig per Videos oder Drohnen-Kameras gefilmt werden oder Polizisten eine Art „Nummerntafel“ tragen müssen, wurde nach den Eskalationen bei den Protesten gegen den Akademikerball und im Mai bei der Demo gegen die rechtsextremen Identitären in Wien diskutiert. Golub dazu: „Ich kommentiere keine politischen Forderungen.“

Die Politik will sich nun dem Landfriedensbruch-Gesetz annehmen. Die Grünen forderten die Streichung des Paragrafen, die NEOS sprachen von einem „Gummiparagrafen“. Die SPÖ will über Änderungen reden, die FPÖ kann sich genauere Bestimmungen vorstellen. Klar gegen eine Streichung ist die ÖVP und das Team Stronach.