Flug MH17 - Niederlande erwarten erste Opfer aus Ostukraine
Kiew/Canberra (APA/dpa/AFP/Reuters) - Die Fahnen in den Niederlanden wehen wegen der MH17-Katastrophe am Tag der nationalen Trauer auf halbm...
Kiew/Canberra (APA/dpa/AFP/Reuters) - Die Fahnen in den Niederlanden wehen wegen der MH17-Katastrophe am Tag der nationalen Trauer auf halbmast. Die ersten Opfer sind aus der Ukraine ausgeflogen worden. Die Flugschreiber sind in Großbritannien eingetroffen. Doch das Rätselraten über den mutmaßlichen Abschuss geht weiter.
Die Niederlande erwarten die ersten Opfer des MH17-Flugzeugabsturzes aus der Ostukraine. Ein niederländisches Militärflugzeug mit 14 Särgen an Bord flog am Mittwoch aus der ukrainischen Stadt Charkow nach Eindhoven ab. Die Regierung in Den Haag rief den Mittwoch zum Tag der nationalen Trauer aus, dem ersten Volkstrauertag seit mehr als 50 Jahren. Alle Fahnen wehten auf halbmast. In zwei Flügen sollten bis gegen 16.00 Uhr etwa 50 der insgesamt 298 Absturzopfer in die Niederlande gebracht werden.
Bei der Ankunft wollten König Willem-Alexander, Königin Maxima und Ministerpräsident Mark Rutte anwesend sein. Auch Angehörige der 193 niederländischen Toten und Vertreter der übrigen Herkunftsstaaten der Opfer wurden erwartet. Bei dem Absturz von Flug MH17 am vergangenen Donnerstag waren Menschen aus zehn Ländern getötet worden.
Die Suche nach der Ursache der Katastrophe ging unterdessen an mehreren Orten weiter. Die Flugschreiber der zerstörten Boeing 777-200 der Malaysia Airlines wurden zur Untersuchung nach Farnborough in Südengland gebracht, wie das britische Transportministerium bestätigte. Prorussische Separatisten in der Ostukraine hatten die Geräte geborgen. Sie übergaben sie an eine Delegation aus Malaysia und diese reichte sie an Vertreter der Niederlande weiter, die offiziell die internationale Untersuchung des Absturzes leiten. In der Ukraine überprüfte der Geheimdienst SBU den Funkverkehr zwischen den Flutlotsen am Boden und den MH17-Piloten.
Die Maschine wurde mutmaßlich über dem Kampfgebiet der Ostukraine abgeschossen. Der US-Geheimdienst hat aber nach Regierungsangaben bisher keine Beweise für eine direkte Beteiligung Russlands daran. Bisherigen Erkenntnissen zufolge sei die Malaysia-Airlines-Maschine von den Separatisten mit einer Boden-Luft-Rakete vom Typ SA-11 getroffen worden, sagten US-Geheimdienstler. Die Rebellen hätten aber wahrscheinlich nicht beabsichtigt, die in 10.000 Meter Höhe fliegende Zivilmaschine abzuschießen.
Dem „Wall Street Journal“ zufolge präsentierten US-Geheimdienstler ausgewählten Reportern Beweise dafür, dass die Flugabwehrrakete aus einem von Separatisten kontrollierten Gebiet abgefeuert worden sei. Moskau habe durch anhaltende Waffenlieferungen an die prorussischen Rebellen und Trainingsmaßnahmen die Bedingungen für diesen Vorfall geschaffen. Die Separatisten weisen die Schuld von sich.
Ein prorussischer Milizionär bestätigte jedoch im Gespräch mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ erstmals, dass die malaysische Verkehrsmaschine MH17 von den Separatisten abgeschossen wurde, das allerdings irrtümlich. „Wir haben gerade eine Maschine der Faschisten aus Kiew abgeschossen, haben unsere Kommandanten gesagt“, berichtete der Mann dem „Corriere“ (Dienstagsausgabe).
Die Absturzopfer waren am Dienstag in einem Sonderzug aus dem Rebellengebiet in die Stadt Charkow gebracht worden, die von der ukrainischen Regierung kontrolliert wird. Unklarheit herrschte jedoch darüber, wie viele Leichen in den Kühlwaggons waren. Nach niederländischen Angaben könnten sich darin lediglich die Überreste von 200 Opfern befunden haben.
An der Absturzstelle müsse die Suche nach Opfern fortgesetzt werden, zitierte der britische Sender BBC den Forensiker Jan Tuinder. Nach Angaben der Separatisten wie der ukrainischen Regierung waren an der Absturzstelle 282 Leichen und 87 Leichenteile geborgen worden.
Australiens Premierminister Tony Abbott vermutet zahlreiche der nach dem Flugzeugabsturz über der Ukraine noch vermissten Opfer weiterhin am Ort der Katastrophe. „Es ist recht wahrscheinlich, dass viele Leichname noch dort draußen sind“, sagte Abbott am Mittwoch in der Hauptstadt Canberra.
Am Absturzort liegen nach Darstellung von Separatisten noch immer 16 Leichen. Die prorussischen Kräfte widersprachen damit am Mittwoch Angaben der ukrainischen Regierung, wonach alle 298 Opfer des Boeing-Absturzes vom vergangenen Donnerstag geborgen und die Arbeiten abgeschlossen seien. Im Absturzgebiet würden Experten erwartet, die sich um die letzten Opfer der Tragödie kümmern sollten, sagte ein Sprecher der nicht anerkannten „Volksrepublik“ Donezk der russischen Staatsagentur Itar-Tass. Ein Kühl-Waggon für den Abtransport warte am Haltepunkt in Tores. In einem weiteren Waggon befänden sich Gegenstände der Passagiere.
Nach dem Flugzeugabsturz in der Ukraine forderten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der malaysische Ministerpräsident Najib Razak Russland erneut eindringlich auf, Druck auf die prorussischen Separatisten auszuüben. Merkel wirft dem Kreml und den prorussischen Separatisten weiter mangelnde Kooperation bei der Aufklärung des Flugzeugabsturzes und Befriedung der Lage in der Ukraine vor. Es gebe nach wie vor Probleme bei der Bergung der Opfer sowie dem ungehinderten Zugang internationaler Experten zur Absturzstelle. Der Kreml zeige wenig Interesse an umfassender Aufklärung, erklärte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Mittwoch in Berlin für die Kanzlerin, die derzeit im Urlaub ist.
Die EU-Staaten werden am Donnerstag die Vorschläge der Kommission über ein Waffenembargo gegen Russland beraten. Auf Botschafterebene könnte dabei auch bereits eine Entscheidung getroffen werden. Ein eigener Sonder-Außenministerrat ist derzeit eher unwahrscheinlich, hieß es am Mittwoch in EU-Ratskreisen in Brüssel.
In der Ukraine lehnte Präsident Petro Poroschenko trotz verlustreicher Gefechte zwischen Armee und prorussischen Separatisten eine Verhängung des Kriegsrechts erneut ab. „Wer dies fordert, sollte sich der schweren Folgen bewusst sein“, sagte er nach Angaben des Präsidialamts am Mittwoch bei einer Sitzung mit Beratern und Fraktionschefs in Kiew. Nach der Teilmobilmachung der Bevölkerung sehe er die Streitkräfte kampfbereit. „Außerdem liefert der Internationale Währungsfonds nicht an Länder im Kriegszustand - und wir brauchen das Geld“, sagte der prowestliche Staatschef. Am Dienstag hatten mehrere Abgeordnete erneut das Kriegsrecht gefordert.
Das russische Parlament berät unterdessen über einen Solidaritätszuschlag für Reiche, um unter anderem die hohen Kosten für die Eingliederung der ukrainischen Halbinsel Krim ins russische Staatsgebiet zu bewältigen. Abgeordnete der Duma legten am Dienstag einen Gesetzentwurf vor.