Sprayer wegen schwerer Sachbeschädigungen vor Wiener Gericht
Wien/Leeds (APA) - Mit einer Fülle von Beschmierungen zweier Graffiti-Sprayer musste sich am Mittwoch das Wiener Straflandesgericht auseinan...
Wien/Leeds (APA) - Mit einer Fülle von Beschmierungen zweier Graffiti-Sprayer musste sich am Mittwoch das Wiener Straflandesgericht auseinandersetzen. Neben dem berüchtigten „Puber“, der sein Schriftzeichen auf hunderten Hausmauern hinterlassen haben soll, wurde auch die schweren Sachbeschädigungen eines britischen Sprayers verhandelt. Er wurde zu einer teilbedingten Haft von 18 Monaten verurteilt.
Die beiden saßen nicht gemeinsam auf der Anklagebank. Die Männer wurden unabhängig voneinander im März festgenommen, weil sie laut Anklage jeweils über 200 Tags hinterlassen haben sollen.
Der Brite, der sich voll geständig zeigte, platzierte seit 2011 seine Schriftzüge „T-BAG“ und „GN“ an diversen Zügen des öffentlichen Verkehrsnetz in Wien. Dabei entstand für die Wiener Linien und die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ein Schaden von knapp 200.000 Euro. „Ich bin nicht wie Puber, der die Stadt verunstaltet, ich sprühe meine Tags nicht auf der Straße. Sie sind nicht für alle gedacht, sondern nur für Personen, denen ich sie zeigen möchte, andere Graffitikünstler“, sagte der 23-Jährige vor Richterin Martina Frank.
Der Vorwurf, dass der junge Mann seine Tags auch in der Stadt Salzburg hinterlassen haben soll, wurde fallen gelassen. Der 23-Jährige wurde zu einer Strafe von 18 Monaten, davon vier Monate unbedingt, verurteilt. Da der Brite bereits seit 7. März in U-Haft sitzt, wurde er enthaftet. Das Urteil ist rechtskräftig.
Noch kein Urteil gab es für den Schweizer Sprayer, der unter dem Namen „Puber“ bekannt wurde. Der 30-jährige Schweizer, der sich seit vergangenem Jahr in Wien befand, hinterließ seine Schriftzüge auf zahlreiche Hausfassaden. Staatsanwalt Markus Berghammer legte ihm 232 Fakten zur Last. „Wenn man mit offenen Augen durch die Stadt geht“, dann würde man vor allem eines sehen, nämlich „Puber“-Schriftzüge. Sie seien für die Hausbesitzer „eine Plage“ und würden einen immensen Schaden anrichten. Der Angeklagte habe „der Stadt seinen Stempel aufgedrückt“, so Berghammer.
Der Schweizer mit brasilianischen Wurzeln würde „Sachbeschädigung mit System“ betreiben, weswegen ihm in seinem Heimatland bereits ein Verfahren droht. Deshalb sei Renato S. vermutlich im vergangenen Jahr unangemeldet nach Österreich gekommen und hätte hier als U-Boot in Wien gelebt. Um Geld zu verdienen, habe er ab und zu als Security gearbeitet. 2013 sei er in der Nähe des Cafe Leopold von einem Sicherheitsmann beim Sprühen erwischt worden. S. bettelte den Security an, ihn nicht zu verraten, er werde den Schaden wieder gut machen. Er habe dem Mann seinen Namen genannt. Aufgrund dieser Daten sowie durch ein Überwachungsvideo habe man den Schweizer in einer Wiener WG ausfindig gemacht, so Berghammer.
In der Wohnung wurden zahlreiche Spraydosen sowie Graffitiutensilien gefunden. Der 30-Jährige flüchtete mit seinem Laptop aufs Dach und wollte den Computer in einem Kamin versenken. Davon hielten ihn die noch Polizisten ab. Auf dem Laptop wurden anschließend zahlreiche Fotos von diversen Graffiti sichergestellt.
Ein grafologisches Gutachten, das auf der Basis jener Schriftzüge erstellt wurde, bei denen man ihn erwischt hat, kam zu dem Schluss, dass er bei einigen Tags mit „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ um jene des 30-Jährigen handelt. Sein Anwalt Phillip Bischof kritisierte, dass jener Sachverständigen nicht vor Gericht geladen wurde.
Der Rechtsvertreter bezeichnete den Strafantrag als „Zumutung“. Bei zahlreichen Fakten würde es sich um keinen Schaden handeln, weil die Schriftzeichen abwaschbar oder auf einem Abbruchhaus platziert waren. Einige Fakten seien wiederum doppelt angeklagt. Ein weiterer Fall wurde bereits in einem anderen Verfahren eingestellt. Der Strafantrag liefe ganz nach dem Motto, „wir haben Puber, alle auf ihn. Wo Puber drauf steht, ist auch Puber drin“, sagte Bischof.
„Ich bin dagegen, dass er stellvertretend für viele andere stehen soll“, sagte sein Verteidiger in einer Verhandlungspause. Auch Hausbesitzer, die sich dem Verfahren angeschlossen haben, zeigten sich unzufrieden. „So kann man das nicht angehen“, meinte ein Immobilieninhaber. Richter Mende musste sich durch ein Konvolut von Fällen kämpfen. Bei einigen Fakten waren keine Lichtbilder vorhanden, Privatbeteiligtenvertreter machten andererseits Schmierereien geltend, die in der Anklage gar nicht enthalten waren. Es habe in den vergangenen zwei Tagen 40 weitere Nachtragsstücke gegeben, drei allein am heutigen Tag, erwähnte Mende zu Beginn der Verhandlung und sprach den Angeklagten zunächst mit „Herr Puber“ an.
Aufgrund der Tatsache, dass sich der Angeklagte nur teilweise geständig zeigte, musste Richter Wilhelm Mende jedes einzelne Faktum mit dem 30-Jährigen durchgehen. Der Angeklagte fühlte sich so gut wie gar nicht für die Produktion eines der angeklagten Tags verantwortlich. Meist antwortete er mit „kann sein“ oder „weiß ich nicht“.
„Der Schriftzug wird von ziemlich vielen Leuten verwendet“, sagte der Angeklagte. Er habe das Wort „Puber“ an die 20 bis 30 Mal gesprüht. Auf den Vorhalt Mendes, dass die Art des Schriftzuges, wie sie der Schweizer tätigt, in Wien zumindest 111 Mal vorkomme, meinte der 30-Jährige: „Aber die sind nicht alle von mir und stammen aus einer Zeit, in der ich noch nicht einmal in Wien war.“ Im Fall einer Verurteilung drohen ihm sechs Monate bis fünf Jahre Haft.