Nahost-Konflikt - Nachhaltige Schwächung der Hamas ist Konsensziel

Gaza (APA/AFP) - Die israelische Armee hat bis Mittwoch viele der von der Politik vorgegebenen Angriffsziele im Gazastreifen erreicht. Denno...

Gaza (APA/AFP) - Die israelische Armee hat bis Mittwoch viele der von der Politik vorgegebenen Angriffsziele im Gazastreifen erreicht. Dennoch war die allgemeine Stimmungslage in Israel zunächst noch nicht reif für einen Waffenstillstand. Zustimmen kann die Regierung erst, wenn der Küstenstreifen demilitarisiert ist und von dort keine Raketen oder Kommandotrupps aus geheimen Angriffstunneln mehr drohen.

Trauerfeiern dominieren in dieser Woche das öffentliche Leben Israels. 29 Soldaten starben bis Mittwoch im Verlauf der Bodenoffensive im Gazastreifen. Seit die israelischen Streitkräfte vor acht Jahren im zweiten Libanonkrieg 121 Tote beklagten, hatten sie nicht mehr solch hohe Verluste.

Die israelischen Opfer sind allgegenwärtig: Jedem Toten widmen die Tageszeitungen eigene Nachrufe. Im Rundfunk kommen die Angehörigen zu Wort - schluchzend, aber ohne Vorwürfe an die Adresse der Regierung: „Mein Sohn war so außergewöhnlich. Er hat die Familientradition fortgesetzt und wie sein Vater in der Golani-Brigade gedient“, sagt eine Mutter am Grab vor den Kameras. Diese Brigade hatte am Sonntag mit 13 Toten die meisten Opfer.

Im Land herrscht breiter Konsens, dass diese Opfer nicht vergeblich sein dürfen. Das illustriert exemplarisch die liberale Justizministerin Tzipi Livni, eigentlich eine anerkannte Friedenspolitikerin. „Wir werden keiner Waffenpause mit der Hamas zustimmen, solange wir das strategische Ziel der Zerstörung der Angriffstunnel nicht erreicht haben“, sagt sie dem Nachrichtenportal „Ynet“.

„28 Tunnel mit 60 Zugängen haben wir inzwischen entdeckt“, erklärt dazu Armeesprecher Peter Lerner am Mittwoch bei seiner täglichen Pressekonferenz. Die Hälfte der Tunnel reiche bis auf israelisches Gebiet. Aber erst sechs konnten zerstört werden. Militärexperten erläutern, es werde noch mindestens einige Tage dauern, die oft mit Sprengfallen geschützten Tunnel zumindest vorerst unbrauchbar zu machen. Sie ganz zu zerstören würde dagegen noch bis zu zwei Wochen dauern, schätzt Generalmajor Schlomo Turjeman vom zuständigen Südkommando der Streitkräfte.

Auch die Beendigung der Raketenbedrohung aus dem Gazastreifen, das zweite strategische Ziel, das die Regierung beim Start der „Operation Schutzlinie“ vorgab, kommt zügig voran, ohne voll erreicht zu sein. „Wir haben bisher 3500 Raketen zerstört, 2159 wurden abgefeuert. So bleiben der Hamas und den anderen radikalen Gruppen noch 4000 oder 4500 Raketen“, sagt Lerner. Von zu Beginn 350 Langstreckenraketen der Hamas seien noch 150 übrig, schätzt zudem Militärexperte Yossi Yehoschua in der Mittwochausgabe der meistverkauften Zeitung „Yediot Ahronot“.

Dass zahlreiche Fluggesellschaften am Dienstag entschieden, den internationalen Flughafen von Tel Aviv zunächst nicht mehr anzusteuern, hat die Meinung der meisten Israelis noch bestärkt, diesmal keine nur temporär wirkenden Kompromisse einzugehen. Yehoschua nimmt an, dass Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Moshe Yaalon einer unbefristeten „humanitären Feuerpause“ nur zustimmen könnten, wenn die Armee zugleich die gefundenen Tunnel weiter zerstören darf.

Und Leitartikler Nachum Barnea schreibt am Mittwoch im gleichen Blatt, Israel solle die Bodentruppen innerhalb weniger Tage zurückziehen und auf jeden neuen Raketenbeschuss weiter mit gezielten Luftangriffen antworten. Dazu brauche es kein Abkommen mit der Hamas.

Die breite Einigkeit in Israel ist allerdings begrenzt auf das Ziel einer nachhaltigen Demilitarisierung des Gazastreifens. Immer wieder vom rechten Flügel des Kabinetts erhobene Forderungen, das Küstengebiet ganz zu besetzen und die Hamas zu vertreiben, stoßen in Politik und Medien auf starken Widerspruch.

So hat auch die oppositionelle Arbeitspartei bisher jede Kritik am Vorgehen von Regierung und Armee vermieden. „Aber wir müssen aufpassen, nicht in eine Dynamik zu geraten, die uns über die zu Beginn fixierten Ziele hinausführt“, benennt der Parlamentsabgeordnete Nacham Shai den Knackpunkt, an dem der nationale Konsens zerbrechen würde.