Ukraine-Krise - Wie EU-Strafen gegen Russland aussehen könnten
Brüssel (APA/Reuters) - Wenn sich die EU-Botschafter am Donnerstag mit der Frage neuer Sanktionen gegen Russland beschäftigen, werden sie au...
Brüssel (APA/Reuters) - Wenn sich die EU-Botschafter am Donnerstag mit der Frage neuer Sanktionen gegen Russland beschäftigen, werden sie auf eine Reihe von vorangehenden Beschlüssen zurückgreifen können. Denn die EU hat ihre Möglichkeiten für Sanktionen gegen Russland schrittweise und zuletzt drastisch ausgebaut. Ein Überblick über die Entwicklung und die Möglichkeiten:
DAS DREI-STUFENMODELL
Eingestiegen ist die EU in die Sanktionsspirale mit dem Beschluss des EU-Gipfels am 6. März. Damals wurde ein dreistufiges Sanktionsverfahren festgelegt. In einer ersten und zweiten Stufen wurde die Zusammenarbeit mit Russland in etlichen bi- und multilateralen Gremien gestoppt - von G-8 bis zur Absage der deutsch-russischen Regierungskonsultationen. Theoretisch lässt sich dies auf alle möglichen gemeinsamen Veranstaltungen erweitern - etwa auch im Sportbereich. Zudem wurden Visa- und Kontensperren gegen Personen verhängt, denen eine direkte Verantwortung für den russischen Griff nach der ukrainischen Halbinsel Krim vorgeworfen wird. Diese Liste ist bereits mehrfach erweitert worden. Als dritte Stufe sah die EU als schärfste Waffe sektorale Wirtschaftssanktionen vor. Diese können aber nur von den EU-Chefs selbst verhängt werden.
SANKTIONEN GEGEN EINZELNE FIRMEN
Der EU-Gipfel am 16. Juli hat die Spielregeln geändert und die Möglichkeiten für Sanktionen massiv ausgeweitet - seither sind die Grenzen zwischen den Sanktionsstufen fließend geworden. Denn nun sind Strafmaßnahmen etwa gegen Firmen und Organisationen möglich, die daran mitarbeiten, die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit und Unabhängigkeit der Ukraine zu gefährden oder für eine Destabilisierung zu sorgen. Eine Liste sollte bis Ende Juli vorliegen.
Dies hat die Zahl der möglicherweise Betroffenen erheblich ausgeweitet: Einerseits geraten durch die drei genannten Kriterien nun auch Firmen ins Visier, die mit den prorussischen Separatisten in der Ostukraine Geschäfte machen. Andererseits reicht nun schon ein mittelbarer Bezug aus, um bestraft zu werden: Es könnten nun also auch Firmen mit Sanktionen belegt werden, die auf der von Russland eingegliederten Krim oder in den von den Separatisten beherrschten Gebieten etwa Geldautomaten zur Verfügung stellen oder die Gebiete mit Gas und Öl beliefern.
Zudem wurden die EU-Vertreter in der Europäischen Investitionsbank (EIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) angewiesen, keiner Kreditvergabe für Russland mehr zuzustimmen. Dies unterbindet jede Finanzierung von Projekten zumindest mit öffentlichem Geld aus der EU - die Folgwirkungen ist aber auch auf private internationale Banken groß. Diese beschneiden ihr Russland-Geschäft ohnehin, weil sie gleichzeitig verhängte US-Sanktionen etwa gegen die Gazprombank beachten müssen.
PUTIN-VERTRAUTE GERATEN INS VISIER
Bisher hatten die Europäer damit argumentiert, dass sie anders als die USA keine Vertrauten von Präsident Wladimir Putin mit Sanktionen belegen könnten, weil der Europäische Gerichtshof (EUGH) als Basis für Strafen den Nachweis einer direkten Mittäterschaft fordert. Die EU-Außenminister haben am Dienstag aber zwei entscheidende Änderungen beschlossen: Zum einen wird das geforderte Vorlegen der Sanktionsliste von Ende Juli auf „sofort“ vorverlegt. Zum anderen wird der Rechtsrahmen erheblich erweitert, womit juristisches Neuland betreten wird. Nun heißt es, dass Personen und Einrichtungen sanktioniert werden können, die aktiv materielle oder finanzielle Hilfe für russische Entscheider liefern, die für die Krim- und Ostukraine-Politik verantwortlich sind. Dazu kommen Personen, die von diesen russischen Offiziellen profitieren. Dies könnte etwa Oligarchen treffen.
Daneben werden bis spätestens Ende Juli auch die Sanktionen für Firmen ausgeweitet, die Handel mit der Krim treiben oder dort investieren. Theoretisch könnte das selbst Autofirmen treffen, die dort ihre Autos verkaufen wollen.
DROHUNG MIT SANKTIONEN GEGEN GANZE SEKTOREN DER WIRTSCHAFT
Die EU-Außenminister griffen zudem die Drohung mit Sanktionen der Stufe 3 vom 6. März erneut auf - und präzisierten sie. Erstmals ist nun die Sprache davon, dass eine Liste mit Strafmaßnahmen vorgelegt werden soll, die den russischen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt, zu Verteidigungstechnologie oder zu sogenannten Dual-Use-Gütern, die auch militärisch verwendet werden könnten, blockieren könnte.
Auch sensible Technologien einschließlich der Energiewirtschaft geraten nun in den Bannstrahl von Sanktionen. Diese Liste soll ebenfalls am Donnerstag vorliegen.
Was dies heißen kann, machte etwa EU-Energiekommissar Günther Oettinger deutlich: So könnten Geräte zur Öl- und Gasförderung auf die Sanktionsliste kommen. Dies werde Russland vor allem bei der geplanten Nutzung der Energievorkommen in der Arktis schaden.
WAS PASSIERT DONNERSTAG?
Die EU-Botschafter werden am Donnerstag über die verschiedenen Sanktionslisten diskutieren. Zumindest die deutsche Bundesregierung fordert, dass auch erste Sanktionen gegen russische Firmen bereits verhängt werden. Dafür müssen aber alle Vertreter der 28 EU-Regierungen zustimmen.