Bühne

Sein oder Schein, das ist hier die Frage

Ziemlich verrucht und angenehm verrückt: Mit „Ein Käfig voller Narren“ wagen sich die Tiroler Volksschauspiele Telfs erstmals an ein Musical.
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Willkommen im Club: Die Tiroler Volksschauspiele Telfs brechen mit der Tradition, stattdessen lässt Susi Weber die Puppen tanzen.

Von Christiane Fasching

Telfs –Der nüchterne Telfer Rathaussaal ist nicht mehr wiederzuerkennen: An allen Ecken und Enden glitzert und funkelt es, die Wände sind von Barhockern gesäumt, im Zuschauerraum schmiegen sich kuschelige Sofas an gemütliche Café-Tischlein. Passend zur Club-Atmosphäre stöckeln chic herausgemachte Showgirls (Kostüme: Isabel Graf) durchs Geschehen – und gehen ungeniert mit den Besuchern auf Tuchfühlung. Im „Cage aux Folles“ kennt man keine Berührungsängste, im „Käfig voller Narren“ ist alles erlaubt – da dürfen die rasierten Beine in Netzstrumpfhosen stecken, während im geschminkten Antlitz Bartstoppeln aufblitzen. Schließlich ist unsereins seit dem Song-Contest-Sieg von Conchita Wurst ja total weltoffen und unglaublich tolerant ...

Ein Hauch von Wurst schwebt deshalb auch durch den herausgeputzten Rathaussaal, den Telfs’ Haus- und Hofbühnenbildner Karl-Heinz Steck – mit gewohnter Liebe zum Detail – in einen verruchten Nachtclub verwandelt hat. Hier hat George das Sagen und Zaza das Singen – außer die in die Jahre gekommene Drag-Queen, die eigentlich als Albin zur Welt kam, schmeißt gerade einmal wieder die Nerven. Mit George ist sie seit mehr als 20 Jahren verbandelt, für seinen Sohn Laurent, das Produkt eines betrunkenen One-Night-Stands, war sie stets eine liebevolle Mutter. Doch jetzt will der Bub die Tochter eines erzkonservativen Politikers ehelichen – und seine maskuline Mama am liebsten verstecken. Auch George soll verbergen, dass er „sexuell anders begabt“ ist und tunlichst verschweigen, dass er seinen Lebensunterhalt mit nächtlicher Unterhaltung finanziert. Das Verwirrspiel – inklusive vorprogrammiertem Chaos – kann beginnen.

Für Telfs ist der „Käfig voller Narren“ eine Premiere – ein Musical gab’s beim Theaterfestival noch nie. Dass man heuer mit der Tradition gebrochen hat, mag wohl auch am Geld liegen: Die Volksschauspiele haben mit Finanzproblemen zu kämpfen, ein Stück gut gemachter Unterhaltung soll den angeschlagenen Finanzhaushalt sanieren. Der Plan dürfte aufgehen: Regisseurin Susi Weber bewahrt das Stück von Jean Poiret, das in der Fassung von Harvey Fierstein am Broadway Erfolge feierte, nämlich vor plüschigem Musical-Kitsch. Und setzt lieber auf speedige Slapstick-Komik, vergisst aber auch nicht auf rührige Momente, die tatsächlich zu Herzen gehen. Die Idee, die Handlung von Saint-Tropez nach Telfs zu verlegen, will dafür nicht ganz aufgehen: Dadurch werden zwar die Ausflüge in die Dialektwelt plausibel, allerdings würde der Schmäh auch ohne kehliges K rennen.

Schauspielerisch, gesanglich und tänzerisch (Choreografie: Darie Cardyn) bleiben im Telfer Narrenkäfig kaum Wünsche offen: Volksschauspiel-Obmann Markus Völlenklee gibt eine herrlich zickige und zartbesaitete Zaza, Johannes Nikolussi überzeugt als Nachtclub-Chef George sowohl im silbernen Glitzer­anzug als auch im braunen Spießerzwirn. Rafael Haider (Laurent) und Daniela Bjelobradic (Anne) bezaubern als frisch verliebtes, knutschfreudiges Pärchen, während Phi­lipp Rudig als Telfs’ Antwort auf Conchita Wurst aus der Showgirl-Truppe heraussticht. Die heimlichen Stars des Abends sind aber Johannes Gabl und Ute Heidorn, die dem schmierig-steifen Politiker-Paar Michelhuber ein schrecklich herrliches Profil konservativen Horrors verleihen. Dafür: Daumen hoch!

Info: Zu sehen bis 31. August im Großen Rathaussaal. www.volksschauspiele.at

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