Bühne

Das Erler Spiel von Kunst und Leben

Die Rheintöchter: Wellgunde (Michiko Watanbe), Woglinde (Yukiko Aragaki) und Floßhilde (Misaki Ono). Gianluca Zampieri als Siegfried.
© APA/FRANZ NEUMAYR

Mit der „Götterdämmerung“ beschloss Gustav Kuhn bei den Tiroler Festspielen Erl die erste Runde von Wagners „Ring des Nibelungen“. Wiederholung am Wochenende beim 24-Stunden-Event.

Von Ursula Strohal

Erl –Die Nornen sinnen über die Welt, da reißt ihnen, Sinnbild drohenden Untergangs, das Schicksalsseil. Die Landschaft um Erl geht unter in Wolkengrau, Donnergrollen und Regengüssen. Auf der Autobahn stehen Samstagnachmittag Menschen im Stau, in Gedanken bei Brünnhilde, von Siegfried verraten, bei den Gibichen-Halbgeschwistern Gunther und Gutrune, Waltrautes herrlicher Erzählung und dem Finsterling Hagen. Weltuntergang um das Passionsspielhaus, die depressiven Nornen verhindern für ein paar Dutzend Menschen die pünktliche Ankunft. Ein paar drängen noch in den Saal, die anderen lauschen in Liegestühlen dem Regen und den Klangfetzen aus der hehren Halle.

Oben, im Raum hinter den letzten Reihen, taucht Siegfried (Gianluca Zampieri) aus dem Auditorium auf, nervös, die Hand auf seinem Posthorn. Er wird ab dem zweiten Aufzug nicht so überzeugen wie Michael Kupfer, der hier ebenfalls erscheint und in den Regen Richtung Garderobentrakt entschwindet. Er ist stimmlich und darstellerisch ein großartiger Gunther, labil, koksend, feig. Waltraute (Anne Schuldt) haben wir versäumt, die elegante Gutrune (Susanne Geb) hat nicht mehr viel zu sagen. Ein Co-Dirigent taucht im Hinterzimmer auf mit dem fabelhaften Hornisten, dessen Ruf Siegfried begleitet, Türe auf, kurzer Einsatz, imaginierte Rheinfahrt, das Wasser trommelt auf das Dach.

Kinder stürmen durch den Regen herauf. Die Leiterin der Regieabteilung ist voll im Stress und überall zugleich. Feuerwehrmänner kommen, Fackeln für die Kinder werden bereitgestellt, sie sind weitgehend gesichert. Aber jedes Mal eine Nervensache, sagt ein Feuerwehrmann, rund 30 Kinder, auch kleine sind dabei, gehen mit echtem Feuer die Stufen durch den Zuschauerraum hinab auf die Bühne. Seine Kollegen sind auf den Plätzen, Feuerlöscher griffbereit. Unten auf dem Hof verteilen junge Leute noch immer grüne Regenschirme. Ein Rettungswagen fährt vor, im Zuschauerraum gab es einen Zwischenfall. Wer immer hier an der Aufführung mitarbeitet, ist mit voller Konzentration dabei.

Im zweiten und dritten Aufzug ist das Auditorium komplett. Gustav Kuhn steuert die „Götterdämmerung“ in diffizil kontrolliertem, ansaugendem Klangrausch und wilden Ausbrüchen dem Ende zu, bei den Blechbläsern zeigt sich doch ein wenig Kräfteverschleiß. Szenisch hat Kuhn für die Wiederaufnahme verdichtet und punktuell geschärft, die Katastrophen erzählt er in radikaler Vereinfachung kraftvoll, eingängig, unpathetisch. Siegfrieds Tod begleitet Wagners Vogelstimme, gebastelte Vögel steigen auf, da zieht ein echtes, ins Haus verirrtes Vögelchen erschreckt seine Runden, spielt die „Leben/Kunst-Verknüpfung“ dieses Abends weiter.

Hagens dunkle Glut (Andrea Silvestrelli) verschlingt wildmächtig die Worte, deutlich und ausdrucksstark die grandiose Brünnhilde der Mona Somm. Nicht mehr in Tracht, sondern weltumspannend die vier Kinder, die entgegen den dumpfen Nornen, versagenden Göttern und Weltuntergangsszenarien in selbstvergessener Zukunftsgewissheit das Fadenspiel aufnehmen.

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