Paragraf 274

Landfriedensbruch, ein umstrittener Paragraf im Fokus

Der Prozess gegen Josef S. rückte den Paragrafen 274 des Strafgesetzbuches in den Mittelpunkt. Der Landfriedensbruch, eine umstrittene Bestimmung.

Wien –Lange Zeit galt der Paragraf 274 als eine Art „totes“ oder vielmehr „halbtotes Recht“. Doch mit der Demo gegen den rechten Akademikerball zu Beginn dieses Jahres und Randalen nach einem Rapid-Match kam der Paragraf zuletzt wieder zur Anwendung. Und damit wuchs auch die Kritik bzw. sehen sich Juristen veranlasst, diesen Paragrafen zu verteidigen.

Im Strafgesetzbuch beschreibt der Paragraf den Tatbestand als wissentliches Teilnehmen an einer „Zusammenrottung“, die auf Mord, Totschlag, Körperverletzung oder schwere Sachbeschädigung abzielt. Das Strafmaß ist mit zwei bzw. drei Jahren bemessen, je nachdem, ob „führend“ an der „Zusammenrottung“ teilgenommen wurde.

Die Grünen hatten bereits vor der Sommerpause im Justizausschuss des Nationalrats einen Antrag auf ersatzlose Streichung des Paragrafen 274 eingebracht. Der Antrag wurde abgelehnt. Doch innerhalb der parlamentarischen Fraktionen herrscht seither durchaus eine Diskussion über eine nötige Präzisierung der Bestimmung vor. Denn für die strafbaren Handlungen selbst gebe es ohnehin eigene Strafparagrafen. Justizminister Wolfgang Brandstätter (ÖVP) hatte im Ausschuss ebenfalls eine Überarbeitung grundsätzlich als sinnvoll bezeichnet.

Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, geht davon aus, dass der Paragraf im Herbst wohl zum Thema werden dürfte.

Auch die FPÖ kann sich Änderungen des Paragrafen vorstellen, nämlich, dass man genauer festlegt, was wirklich Voraussetzungen sind, dass Landfriedensbruch angewendet werden kann.

Die ÖVP will keine ersatzlose Streichung. Die SPÖ will die Bestimmung diskutieren.

Die Staatsanwälte hingegen verteidigen den Paragrafen grundsätzlich. „Wir denken schon, dass es Fälle gibt, in denen man diesen Tatbestand braucht“, sagte Gerhard Jarosch, Präsident der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, auf APA-Anfrage. Es müsse eine Handhabe geben, wenn „wohldurchdacht und organisiert 150 Leute zusammengetrommelt werden“, und zwar mit dem dezidierten Ziel, „Gewalt auszuüben“. Bei Ausschreitungen in größeren Menschenmengen sei es für die Polizei schwierig, einzelnen Menschen Taten nachzuweisen, und es gehe nicht an, dass sich Menschen mit dem Ziel der Sachbeschädigung oder schlimmeren Absichten „im Schutz der Anonymität auf unseren Straßen herumtummeln“. Eine Gefahr für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit kann Jarosch aufgrund des Landfriedensbruch-Paragrafen nicht erkennen.

Scharf ins Gericht mit dem Paragrafen ging hingegen die globalisierungskritische NGO Attac. Sie nahm das Urteil gegen Josef S. zum Anlass, um eine juristische Kurskorrektur zu erwirken. Das Urteil stehe „in der Tradition von Prozessen wie jenen gegen die Refugees und die TierschützerInnen“. Mit „Gummiparagrafen“ (wie dem Mafiaparagrafen und dem Landfriedensbruch-Paragrafen) würden „progressive Bewegungen und nun auch einzelne Personen mit Prozessen überhäuft“, so Attac.

Besonders „beklemmend“ sei im jüngsten Fall, dass Josef S. „aufgrund eines einzelnen, sich widersprechenden Zeugen verurteilt wurde“.

Seit dem Jahr 1980 ist es in Österreich zu insgesamt 80 Verurteilungen wegen Landfriedensbruchs gekommen. Das geht aus einer Statistik des Justizressorts hervor. Während es in den meisten Jahren zu nur einer bzw. auch über mehrere Jahre (zwischen den Jahren 1982 und 1989) hinweg zu gar keiner Verurteilung wegen dieses Deliktes gekommen war, gab es in einzelnen Jahren zahlreiche Verurteilungen.

So zählt die Statistik des Justizressorts für 2008 23 solcher Verurteilungen, im Jahr 2012 kam es zu 32 Verurteilungen nach Paragraf 274. (APA, misp)