Genitalverstümmelung im Irak: UNO relativiert Bericht
Die UNO-Gesandte im Irak sagte, dass die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ planen würde, Millionen von Frauen zu verstümmeln. Doch mittlerweile ist sich die UNO der Sache nicht mehr sicher.
Bagdad – Die Vereinten Nationen prüfen Hinweise, wonach im Irak die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) die Genitalverstümmelung von Frauen angeordnet haben soll. „Wir versuchen herauszufinden, was wir gesichert wissen“, sagte ein UN-Sprecher am Donnerstag in Genf und relativierte damit Äußerungen der UNO-Gesandten für den Irak, Jacqueline Badcock.
Badock hatte zuvor mitgeteilt, dass Millionen Frauen rund um die von den Extremisten kontrollierte Stadt Mossul im Nordirak durch die Anordnung bedroht seien. Unterstützer der Terrormilizen dementierten die Vorwürfe in sozialen Netzwerken. IS fordere keine Genitalverstümmelungen, hieß es.
Die Vereinten Nationen hatten den Extremisten bereits zuvor schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. In den vergangenen Wochen hatte die Terrorgruppe große Landstriche im Norden und Westen des Iraks erobert und ein „Kalifat“ ausgerufen.
Zuletzt hatte die Miliz Tausende Christen aus Mossul, der zweitgrößten Stadt des Landes, vertrieben. Die Verstöße der Terrorgruppe könnten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen, hieß es von den Vereinten Nationen. Laut einem UN-Bericht kamen seit Anfang des Jahres im Irak fast 5.600 Zivilisten ums Leben, mehr als 11.600 wurden verletzt.
Genitalverstümmelung im Irak nicht verbreitet
Die Praxis der Genitalverstümmelung oder Beschneidung ist im Irak nicht weit verbreitet und nur „in einigen isolierten Regionen“ üblich, so Badcock.
Die IS-Kämpfer hatten Anfang Juni zusammen mit verbündeten sunnitischen Rebellenkämpfern ihren Feldzug im Irak gestartet und mehrere Provinzen nördlich von Bagdad erobert. Die irakischen Streitkräfte hatten IS lange nichts entgegenzusetzen, auch weil die politische Elite in der Hauptstadt Bagdad heillos zerstritten scheint.
Neuer Präsident ist Kurde
Nach monatelangem Tauziehen wählte das irakische Parlament am Donnerstag einen neuen Präsidenten. Der kurdische Politiker Fuad Masoum gewann mit 211 zu 17 Stimmen gegen seinen Herausforderer Hussein al-Moussaui. In der Nacht hatten sich die Abgeordneten des wichtigsten kurdischen Blocks bei einer Sitzung auf Masoums Kandidatur geeinigt. Laut der inoffiziellen Machtverteilung im Irak stellen die Kurden den Staatspräsidenten, die Schiiten den Regierungschef und die Sunniten den Parlamentspräsidenten. Die Wahl des Staatsoberhauptes macht den Weg frei zur Bildung einer neuen Regierung.
Für die von ihnen kontrollierten Gebiete im Irak und Syrien riefen die Kämpfer ein „Kalifat“ - einen Gottesstaat - aus. Die Gruppe verfolgt moderate Sunniten ebenso wie Schiiten, die sie als Ketzer betrachtet. Auch die christliche Minderheit im Irak wird von den Radikalsunniten bedroht.
Christen unter Druck zum Islam konvertiert
Nach Angaben Badcocks leben etwa im von den Extremisten eroberten Mossul nur noch rund 20 christliche Familien. Einige Christen-Familien seien unter dem Verfolgungsdruck zum Islam konvertiert, andere hätten es vorgezogen, eine von der IS verhängte Strafe zu zahlen. Die meisten Christen jedoch sind inzwischen aus der einst multireligiösen Metropole geflohen. Die systematische Vertreibung der Christen hat international Proteste hervorgerufen.
Bei einem Angriff auf einen Konvoi mit Häftlingen wurden indes mehr als 60 Menschen getötet. Selbstmordattentäter sowie Bewaffnete attackierten laut Innenministerium in der Nacht auf Donnerstag die Polizei, die einen Bus mit dutzenden Gefangenen aus der Haftanstalt Taji nördlich von Bagdad eskortierte. Beim Anschlag und den folgenden Gefechten starben vor allem Gefangene, aber auch Beamte. (APA/Reuters)