Verfassungsgericht sorgt für politisches Chaos im Kosovo
Pristina (Prishtina) (APA/dpa) - Erbitterter Streit zwischen der alten und der geplanten neuen Regierung im Kosovo. Das oberste Gericht hat ...
Pristina (Prishtina) (APA/dpa) - Erbitterter Streit zwischen der alten und der geplanten neuen Regierung im Kosovo. Das oberste Gericht hat Parlament und Regierung eine zweimonatige Zwangspause verordnet. Politisches Chaos droht.
Obwohl im Kosovo der Spitzenpolitiker Isa Mustafa von 82 der 120 Abgeordneten mit klarer Mehrheit zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt worden war, hat ihn das Verfassungsgericht seines neuen Amtes enthoben. Mehr noch. Auch die von der Parlamentsmehrheit geplante neue Regierung liegt damit auf Eis. Die gesamte Politik steht still, bis das Gericht in zwei Monaten sein endgültiges Urteil verkünden will. Politisches Chaos ist vorprogrammiert.
Mit dieser aufsehenerregenden einstweiligen Verfügung waren die Verfassungsrichter der Argumentation des bisherigen Regierungschefs Hashim Thaci und seiner PDK-Partei gefolgt. Die behaupten, die PDK müsse als mit 37 Sitzen stärkste Kraft im Parlament dessen Präsidenten stellen und auch mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Doch da niemand mit ihm eine Koalition eingehen will, setzt der einstige Rebellenführer auf Neuwahlen. Die bisherige Opposition habe ihre Mehrheitskoalition erst nach der Parlamentswahl geschlossen und dürfe diese darum nicht nutzen.
Wahrscheinlich wird das Verfassungsgericht dieser demokratiepolitisch kruden Argumentation folgen. Wäre die Thaci-Klage aussichtslos, hätte das Gericht keine einstweilige Verfügung erlassen, so die heimischen Experten. Daneben gilt Gerichtspräsident Enver Hasani als enger Gefolgsmann Thacis. Hasani werde die Verfassung ähnlich wie Thaci auslegen, wurde der Juraprofessor schon in den vergangenen Tagen von den Medien in Pristina zitiert.
Demgegenüber hatten die EU und die USA signalisiert, sie unterstützten die neue Mehrheit des Anti-Thaci-Lagers. Denn das hatte den zehn Abgeordneten der serbischen Minderheit im Land einen Platz in der neuen Regierung versprochen. Das wäre ein Schritt zur weiteren Integration der Serben, was Washington und Brüssel als ihre Hauptaufgabe im mehrheitlich albanisch bewohnten Kosovo sehen.
Allerdings ist mit der politisch unsicheren Lage auch die weitere EU-Vermittlung zwischen Albanern und Serben in Brüssel eingefroren. Auf Eis liegt auch die Gründung des in Den Haag geplanten Gerichts für albanische Kriegsverbrechen im Kosovo-Bürgerkrieg 1998/99. Denn die Kosovo-Regierung muss dem formell noch zustimmen. Und die existiert jetzt nur als kommissarische Platzhalterin bis zur Klärung der vertrackten Lage.
Das Machtvakuum könnte dazu führen, dass der Dauerstreit zwischen der albanischen Mehrheit und der serbischen Minderheit wieder angefacht wird. Schon haben die Albaner in den letzten Tagen gedroht, die serbische Blockade der Ibar-Brücke im Norden des Landes gewaltsam zu durchbrechen. Wenn dort dieser sehr emotionale Konflikt explodierte, wäre die gesamte bisherige EU-Vermittlung in Gefahr.