Libanon - Caritas-Mitarbeiter: „Moderne Sklaverei“ wächst rasant an
Beirut/Wien/Damaskus (APA) - Bisher war dieses Phänomen aus Ländern wie Saudi-Arabien bekannt. Aber auch im Libanon werden immer mehr Frauen...
Beirut/Wien/Damaskus (APA) - Bisher war dieses Phänomen aus Ländern wie Saudi-Arabien bekannt. Aber auch im Libanon werden immer mehr Frauen aus Südostasien und Afrika in Haushalten ausgebeutet. Stefan Maier, Nahost-Koordinator von Caritas Österreich, spricht von „moderner Sklaverei“. Früher ein Oberschichtsphänomen, leisten sich immer mehr Mittelschichtshaushalte Dienstmädchen aus dem Ausland.
Libanesische Haushalte bestellten sich Dienstmädchen aus ärmeren Ländern über eine Agentur und beuteten sie vielfach gnadenlos aus. „Das hat in den letzten Jahren sehr zugenommen“, erklärt Maier während eines Lokalaugenscheins der APA gemeinsam mit anderen österreichischen Journalisten. Mit Vorliebe werden Frauen von den Philippinen, aus Äthiopien und aus Sri Lanka ausgewählt. Neu sei, dass vermehrt Hilfen aus Nepal, Bangladesch und Madagaskar bestellt würden - mit dem einfachen Grund, dass sie noch günstiger als die anderen seien.
Dem Großteil der Betroffenen wird gleich zu Beginn ihrer Arbeit in Haushalten vom Dienstgeber der Pass abgenommen. Sie würden zum Teil zuhause eingesperrt, müssten rund um die Uhr zur Verfügung stehen und könnten teils auf Jahre ihre Familien in ihren Heimatländern nicht besuchen. Die Betroffenen sind oftmals Mütter, die ihre eigenen Kinder zuhause ließen. Sie brachen im Glauben auf ein besseres, geregeltes Einkommen in den Libanon auf um so ihre Familien in ihren Heimatländern finanziell unterstützen zu können.
Die aus ihrer Gefangenschaft entflohenen und von der libanesischen Polizei aufgegriffenen Frauen landen meist in einem provisorisch eingerichteten Schubhaftgefängnis in Beirut, da sie keine Pässe mehr bei sich haben. Die Haftanstalt liegt in einer unter einer Brücke liegenden ehemaligen Tiefgarage. Dort sind laut Maier in etwa einem Dutzend Zellen 600 bis 800 Menschen auf engstem Raum eingesperrt, darunter auch die von Ausbeutung betroffenen Frauen.
Maier sei bereits mehrfach in jenem Gefängnis zwei Stockwerke unter der Erde gewesen. Die Hygienezustände seien katastrophal, die Menschen lebten eng zusammengepfercht bis zu einem Jahr in Massenzellen - ohne Frischluft, ohne Tageslicht.
Seit Jahren bringt Maier eigenen Angaben zufolge Diplomaten und Botschafter Österreichs zu dem Gefängnis. Zum einen um sie über die Zustände dort aufzuklären, zum anderen um Druck auf die libanesische Regierung zur Auflassung der Zellen auszuüben. „Es ist erfreulich, dass inzwischen an einem Gefängnis über Land in Bau ist“, erklärte der seit rund 19 Jahren als Nahost-Koordinator Tätige.
Zur Betreuung der von Ausbeutung Betroffenen wurde 2006 von Caritas Österreich und Libanon ein Frauenhaus in Rayoun, in den Bergen nahe der Hauptstadt Beirut, eingerichtet. Aufgrund eines Abkommens melden sich die Behörden nach Festnahme einer jener Frauen in Einrichtung. Ist die Betroffene unbescholten, wird sie im Anschluss direkt in die Einrichtung überstellt. Ziel der Einrichtung ist die möglichst rasche Repatriierung der Frauen in ihre Heimatländer.
Psychosoziale Betreuung der Ausgebeuteten während ihres Aufenthalts in Rayoun ist unabkömmlich. „Die Frauen haben viele verschiedene Probleme“, erklärt die Leiterin der Einrichtung, Nancy Chehade, der APA. Zu den schlimmsten Erfahrungen, die sie in ihrer Zeit als Haushaltsgehilfinnen machten, gehört wohl sexueller Missbrauch und gegen sie gerichtete Gewalt. Zu den konfiszierten Pässen, käme auch nicht ausbezahlter Lohn und durchgängige Arbeitszeit - ohne Urlaub, ohne Freizeit - hinzu. „Also 24 Stunden, sieben Tage die Woche“, so Chehade. Daraus erklärt sich auch die Mitarbeit von Sozialarbeitern und einer Psychotherapeutin im Betreuungsteam des Frauenhauses.
Derzeit befinden sich über 80 Frauen aus dreizehn verschiedenen Nationen in Rayoun. Darunter auch einige Kinder. Im Jahr 2013 fungierte die Einrichtung als Drehscheibe für insgesamt 1.800 Frauen, erklärte Maier. Die Türen des Frauenhauses stehen neben ehemaligen „Haushaltssklavinnen“, wie Maier die Betroffenen bezeichnet, auch irakischen Flüchtlingsfrauen offen.
Miteinander zu sprechen um die Frauen angemessen betreuen zu können, stellt laut Maier oftmals eine große Herausforderung dar. „Die Betroffenen sprechen oftmals nur ihre Muttersprache, arabisch konnten die wenigsten während ihrer Zeit in den Haushalten lernen.“
Zur Beschäftigung und Weiterbildung der Betroffenen werden Nähkurse, Englischkurse und PC-Kurse mit Abschlusszertifikaten angeboten. Das soll den Frauen helfen in Zukunft „eine normale Arbeit“ zu finden, so Maier. „Egal, ob sie bleiben oder in ihr Land zurückkehren, so haben sie zumindest etwas in der Hand.“
Das Frauenhaus gehört zu den seit Jahren fortlaufenden Projekten der Caritas Österreich im Libanon. Mit Ausbruch des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien nahm sich die Hilfsorganisation auch der Erstversorgung der Flüchtlinge im Zedernstaat an. Laut UNHCR leben in dem vier-Millionen-Einwohner-Land inzwischen über 1,13 Millionen Syrer, die libanesische Regierung geht von mindestens zwei Millionen aus. Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich, bezeichnete die Situation der Flüchtlinge erst vergangene Woche als „extrem“ und rief zu Spenden auf.
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