Studie beleuchtet Chancen am Arbeitsmarkt
Bei Bewerbungen sind vor allem Afrikaner stark benachteiligt. Auch Wiener, Serben und Türken bekommen in Tirol oftmals keine faire Chance.
Von Carina Engel
Innsbruck –Wer im Ausland einen Bildungsabschluss erworben hat, der im Inland anerkannt wird, der sollte bei der Jobsuche auf dem Tiroler Arbeitsmarkt kein Problem haben. Wer aber mit einem Wiener Zeugnis aus der Bundeshauptstadt anreist, um in Tirol Arbeit zu finden, wird mitunter diskriminiert, denn dessen Jobchancen verringern sich um sechs Prozent. Das belegt eine noch unveröffentlichte Studie, die der TT exklusiv vorliegt.
Projektleiter August Gächter vom Wiener Zentrum für soziale Innovation (ZSI) lacht, wenn er auf dieses Ergebnis aus seiner Studie angesprochen wird. Ein Witz ist es jedoch nicht, eine Erklärung hat er ebenso wenig. „Es gibt in Tirol scheinbar ausgeprägte Vorurteile gegenüber Ostösterreich“, vermutet Gächter im TT-Gespräch.
Die Wiener Schulen hätten in Westösterreich keinen guten Ruf, zudem dürften die Einwohner der Bundeshauptstadt „für aufsässig und weniger kooperativ gehalten werden“, mutmaßt Gächter. Andererseits könnte auch die Befürchtung dahinterstecken, dass Wiener den Betrieb rascher wieder verlassen, zeigt er mögliche Gründe auf. Das ZSI-Team vermittelte 24 Unternehmern Bewerber mit gleicher Ausbildung, aber unterschiedlicher Herkunft und untersuchte, wie die Chefs diese beurteilen. In allen Betrieben hätte sich die Benachteiligung der Wiener eindeutig abgezeichnet. Nicht nur Wiener Zeugnisse werden in Tirol eher abgelehnt, auch bei Migranten sei Diskriminierung ein „großes Problem“, weiß Sabine Platzer-Werlberger, stellvertretende Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservices (AMS) Tirol.
Besonders Menschen aus Afrika werden auf dem Tiroler Arbeitsmarkt stark benachteiligt, wie Gächters Studie, die vom AMS in Auftrag gegeben wurde, zeigt. Deren Chancen auf einen Job vermindern sich um zehn Prozent gegenüber den Tiroler Bewerbern mit gleichen Qualifikationen. Dies sei auf das „schlechte Image Afrikas“ zurückzuführen, durch das die Tiroler Arbeitgeber glauben würden, eine Ausbildung in Afrika könne nicht viel wert sein, erklärt Gächter. Zudem würde die „Polemik gegen die Nigerianer“, die es in den 1990er-Jahren gegeben habe, nach wie vor in den Köpfen vieler Tiroler Dienstgeber sein. „Natürlich kann man auch simplen Rassismus dahinter vermuten“, meint der ZSI-Mitarbeiter. „Für Flüchtlinge ist es am schwierigsten, in Tirol Fuß zu fassen“, ergänzt Platzer-Werlberger.
Nach den Afrikanern und den Wienern haben auch Serben und Türken mit einer Benachteiligung auf dem Tiroler Arbeitsmarkt zu kämpfen. Dass sich die Jobchancen für Serben um fünf Prozent verringern, sei laut Gächter überraschend. „Serbien ist in Tirol relativ stark negativ besetzt. Ein Phänomen, das wir auch gesehen haben, als wir den Wohnungsmarkt und den Bildungserwerb in Tirol untersucht haben.“ Eine plausible Erklärung gebe es dafür aber noch nicht.
Bei türkischstämmigen Migranten verringert sich die Chance auf eine Arbeitsstelle um etwa fünf Prozent. „Da gibt es noch immer viele Vorurteile, die aus der Gastarbeiter-Zeit stammen. Da löffeln wir noch die Sünden der Vergangenheit aus“, meint Platzer-Werlberger. Damals wäre eine bessere Integrationspolitik dringend nötig gewesen.
Wirtschaftlich sei Diskriminierung ebenfalls problematisch: „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist das natürlich besonders schade“, ortet Platzer-Werlberger Handlungsbedarf. Dem Bund würden jährlich acht Milliarden an potenziellen Steuereinnahmen entgehen, analysiert Gächter.
Um den Benachteiligungen entgegenzuwirken, müsse sich die Politik des Themas annehmen, ist man sich einig. Neben Verbesserungen bei der Anerkennung von Bildungsabschlüssen pocht Gächter auf eindeutige Bekenntnisse: „Es würde sehr helfen, wenn von politischer Seite die klare Ansage käme, dass Diskriminierung nicht erwünscht ist, dass es schädlich ist, dass es gemein ist, dass es dumm ist und dass man sich damit international lächerlich macht.“