ImPulsTanz 2014: Lichtspiele in Stuarts fragmentarischer Wunderkammer

Wien (APA) - Sie tanzen, springen und laufen, ächzen, johlen und schreien. Mal sind es zwölf, dann wieder nur fünf Personen, die sich den Ra...

Wien (APA) - Sie tanzen, springen und laufen, ächzen, johlen und schreien. Mal sind es zwölf, dann wieder nur fünf Personen, die sich den Raum zu eigen machen, seine Länge, Breite und Höhe erkunden: In Meg Stuarts Skizzenbuch ist alles erlaubt. Die in Berlin lebende US-Choreografin stellt mit „Sketches/Notebook“ für das ImPulsTanz-Festival eine fragmentarische, aber eindrucksvolle Wunderkammer auf die Bühne.

Dabei nähert sich Stuart mit ihrer belgischen Truppe Damaged Goods aus unterschiedlichsten Richtungen den zeitgenössischen Spielarten des Performativen, wie das Wiener Publikum bei der österreichischen Erstaufführung des Stücks am Donnerstagabend im Museumsquartier erfuhr. Empfangen wurde man von John Williams Titelthema zu „Jurassic Park“, das die ersten 30 Minuten lang in Dauerschleife den musikalischen Hintergrund für allerlei obskure Querverbindungen bildete.

Während sich im Zentrum des zu allen vier Seiten positionierten Publikums die Tänzer drehten, aneinander vorbeirannten, Rampen erklommen oder eine Discokugel mittels Hebebühne an der Decke befestigt wurde, verschwand ein Teil immer wieder in der Ecke von Kostümdesignerin Claudia Hill. Das System Modeschau wurde folglich sehr eigentümlich zelebriert und dekonstruiert, als knallige Farben auf Kopfbedeckungen mit Tierschädeln trafen und das handelsübliche Posing mit intensiven Blicken und kantigen Bewegungen konterkariert wurde.

Doch plötzlich brach das Singen der Dinosaurier weg, kehrte Ruhe ein in das eine Sekunde zuvor noch turbulente, aber keineswegs chaotisch wirkende Geschehen und regierten Dunkelheit und das Summen der Projektoren. Die zaghaft einsetzenden Lichtspiele sollten in Folge einen Gutteil des Abends beherrschen, etwa als Jorge Rodolfo De Hoyos über einer Röhrenlampe stehend das Ökosystem am Beispiel dieser Aufführung durchdeklinierte und mithilfe des ein- und ausatmenden Publikums einen Tornado erzeugen wollte. Nur kurz blieb Zeit zum Lachen, bevor es wieder weiterging und die nächste Seite aufgeschlagen wurde.

Genau darin lag auch die Stärke der Bühnenversion von Stuarts Notizblock: Die rasch wechselnde Szenenfolge schien zwar beliebig kombinierbar, dennoch verstand es die Choreografin blendend, einen dynamischen Sog zu erzeugen, der Verschnaufpausen für Performer wie Publikum gleichermaßen bereithielt. Zwar ließ der für die Musik zuständige Brendan Dougherty immer wieder einen Sturm aus Noise und Schlagzeuggeschepper los, vergaß dabei aber nicht auf melodiöse Zwischenspiele.

Einen Abschnitt hervorzuheben oder über andere zu stellen, erscheint in der Nachbetrachtung ebenso schwierig wie obsolet, waren es doch stets stimmige Bilder, die Stuart und Co evozierten. Entweder als wirres Knäuel aus Gliedmaßen, Farben und Gegenständen durch die Gegend robbend, oder in spielerischer Hektik im Raum verteilten Murmeln nachkrabbelnd. Zwischendurch blitzten auch konventionelle Zugänge auf, wurden Hip-Hop-Anleihen dargeboten oder im Team von Fünf eine Mischung aus kindlichem Lauf und Hebefiguren gegeben.

Am Ende bildete ein von allen Beteiligten erzeugtes Kaleidoskop aus Formen und Farben den ruhigen Ausklang. Kurz durchatmen, die Eindrücke sacken lassen, die letzten Takte Musik genießen. Die Belohnung nach knapp zweistündiger Darbietung war für Stuart und ihre Mitstreiter langer, verdienter Applaus. Wem dieser Einblick in ihren Notizblock zu kurz geraten ist, der hat am Samstag Gelegenheit, sich eine „extended version“ zu Gemüte zu führen. Mindestens vier Stunden lang soll der Besuch der Wunderkammer dann dauern.

(S E R V I C E - „Sketches/Notebook“ von Meg Stuart und Damaged Goods, Performance: Jorge Rodolfo De Hoyos, Antonija Livingstone, Leyla Postalcioglu, Maria F. Scaroni, Julian Weber, Musik: Brendan Dougherty, Bühnenbild und Projektionen: Vladimir Miller, Kostümdesign: Claudia Hill, Lichtdesign: Mikko Hynninen, künstlerische Assistenz: Ana Rocha, Kostümassistenz: Kahori Furukawa; weitere Vorführungen an 25., 26. (extended version) und 27. Juli (jeweils 21 Uhr) in der Halle G des Museumsquartiers; weitere Informationen unter www.impulstanz.at und www.damagedgoods.be)