Ballettstar Vladimir Malakhov: „Berlin hat seinen Star gehen lassen“
Wien (APA) - Der Abschied aus Berlin nach zehn Jahren als Staatsballett-Intendant im Streit ist noch nicht verdaut, doch Japan wartet nicht:...
Wien (APA) - Der Abschied aus Berlin nach zehn Jahren als Staatsballett-Intendant im Streit ist noch nicht verdaut, doch Japan wartet nicht: Mit 1. August tritt Ballettstar Vladimir Malakhov seine Stelle als künstlerischer Berater des Tokyo Balletts an. Die APA sprach mit dem Ukrainer mit österreichischem Pass anlässlich seiner Jurytätigkeit beim Wien Welt Wettbewerb über alte und neue Herausforderungen.
APA: 2014 bedeutet für Sie große Veränderung: Erst im Juni gaben Sie Ihre letzte Vorstellung in Berlin nach zehn Jahren als Gründungsintendant und Erster Solotänzer des Staatsballetts Berlin. Sitzt der Schmerz noch tief?
Vladimir Malakhov: Das kann ich schwer sagen, es ist noch so frisch. Natürlich ist es schwierig und traurig. Es ist so, wie wenn man ein Kind aufzieht und dann in ein Internat schickt. Man gibt es in die Obhut von jemandem, der alles ändern wird (Nachfolger Nacho Duato, Anm.). Es geht nicht darum, wie es geendet hat. So ist das Leben, man kann nicht immer etwas dagegen machen. Jetzt freue ich mich auf neue Herausforderungen, auf Japan und darauf, wieder von Neuem anzufangen. Im Laufe meiner gesamten Karriere war es so: Ob Wien, New York, Kanada, Stuttgart oder Berlin - ich habe immer von Grund auf neu angefangen. Vorerst habe ich (beim Tokyo Ballett, Anm.) nur für ein Jahr unterschrieben, auch wenn sie mich länger wollten. Aber ich habe einen flexiblen Vertrag: Ich kann gehen, wann immer ich will.
APA: Sie werden in Tokyo eng mit dem künstlerischen Leiter Munetaka Iida zusammenarbeiten. Wie gut kennen Sie die Compagnie?
Malakhov: Ich war schon mehr als hundert Mal in Japan, ich kenne die Compagnie als Gasttänzer aus den vergangenen 25 Jahren. Sie haben mir die Stelle angeboten und ich dachte: Warum nicht? Ich habe gehofft, ich könnte es dort ein Jahr langsamer angehen lassen, nur ab und zu in der Klasse stehen. Aber sie sagten: ‚Nein, wir wollen dich hier und da und überall.‘ Dabei hatte ich gehofft, mich ein bisschen ausruhen zu können. In Berlin hatte ich keine Chance, eigenen Projekten nachzugehen, es hieß immer nur: Berlin, Berlin, Berlin. Ich sollte alles aufbauen, das Publikum herbeilocken, Performances auf die Beine stellen, die Qualität der Compagnie steigern, viele Karten verkaufen. Aber auch in Tokyo erwartet man viel von mir. Doch vielleicht ist es besser, nach all dem einfach weiter zu machen, anstatt nur zu warten, was so kommt.
APA: Wie gehen Sie an Ihre Aufgabe in Tokyo heran, was bringen Sie mit?
Malakhov: Die eine Sache ist es, nur ein Gast zu sein. Die andere, länger dort zu sein. Bisher habe ich der Compagnie - wie auch in Berlin - dadurch geholfen, dass ich mit ihr getanzt und so Leute für die Performances interessiert habe. Nun ist es meine Aufgabe, eine Compagnie ohne mich als Tänzer besser zu machen. Nicht, dass es ihnen an Qualität fehlt - aber sie brauchen vielleicht ein bisschen mehr Seele. Sie tanzen perfekt, sie sind eine Einheit, aber ich denke, sie müssen offener sein. Das ist etwas Japanisches: Sie sind fleißig, sagen zu allem Ja und bringen es nicht übers Herz, Nein zu sagen. Ich muss erst die Tänzer kennenlernen, verstehen, wie die Compagnie arbeitet. Denn es ist das erste Mal, dass das Tokyo Ballett einen ausländischen Tänzer mit dieser Funktion betraut.
APA: Sie selbst haben auf allen bedeutenden Bühnen dieser Welt getanzt und hatten Ihre Anfänge hier in Wien, wo Sie vom Staatsopernballett 1992 als Erster Solotänzer engagiert wurden. Haben Sie noch eine spezielle Verbindung zu Wien?
Malakhov: Ja, natürlich, das war meine erste Compagnie, meine erste große Stadt, meine erste Familie. Nach zwei Jahren wurde ich zum Österreicher, bis heute habe ich den österreichischen Pass. Ich bin diesem Land, der Stadt und den Leuten sehr dankbar, die mich hierher geholt und so gut aufgenommen haben. Noch heute werde ich auf der Straße erkannt und angesprochen. Auch der Kellner hier (im Cafe Mozart, Anm.) kennt mich seit 25 Jahren und hat mich heute schon angelacht und gesagt: ‚Ah, damals warst du so jung und schön und hattest so viele Haare. Jetzt trägst du eine Brille.‘ (lacht)
APA: Haben Sie das in Berlin, wo das Publikum nun den Abgang seines Ballettstars zu betrauern scheint, ähnlich erlebt?
Malakhov: Berlin hat seinen Star gehen lassen - es ist nicht der Star, der Berlin von sich aus verlässt. Aber das ist eben Berlin, was kann ich sagen. Doch ich glaube fest daran: Für alles, was man verliert, gewinnt man etwas Neues. Ich bin für alles offen und blicke optimistisch nach vorne. Ich bin eine Person, die immer glücklich ist: Auch wenn ich innerlich traurig bin, wird man es mir nie ansehen.