Ballett-Star 2 - „Zeitgenössische Compagnien sind wie Sternschnuppen“
Wien (APA) - APA: Sie sind nun 46 und stehen seit rund 25 Jahren als Tänzer auf der Bühne. Denken Sie ans Aufhören?...
Wien (APA) - APA: Sie sind nun 46 und stehen seit rund 25 Jahren als Tänzer auf der Bühne. Denken Sie ans Aufhören?
Malakhov: Nein. In Berlin habe ich zwar mit dem Tanzen aufgehört, aber nun kann ich endlich die Rollen tanzen, die ich tanzen will. Jede Compagnie hat mich immer als Prinz, als klassischen Tänzer gebucht. Es gibt auf der Welt eben auch nicht viele, die dafür geeignet sind. Natürlich wollten immer alle „Schwanensee“, „Giselle“, „Dornröschen“ sehen - aber ich bin auch offen für neoklassische, zeitgenössische, moderne Stücke. Ich hoffe, ich finde die richtigen Choreografen dafür. Die Ballettwelt ist sehr klein - man kennt sich und weiß, wenn jemand etwas Spezielles vorhat.
APA: Nach Jahrzehnten als klassischer Balletttänzer wenden Sie sich also von der Klassik ab?
Malakhov: Ich bin weiter für die Klassiker - die sind für mich wie Antiquariat, zeitlos. Sie verkaufen sich immer. „Schwanensee“ oder „Nussknacker“ funktionieren einfach jedes Mal, egal wer tanzt. Aber Tänzer sollten verschiedene Teile ihres Körpers trainieren. Auch für mich als Tänzer ist es wichtig, andere Choreografien abseits des klassischen Balletts auszuprobieren. Am Anfang wird es wehtun, weil der Körper die Bewegung nicht kennt. Aber wenn man damit dann in die klassische Welt zurückkehrt, wird man neue Nuancen, neue Möglichkeiten an sich entdecken.
APA: Worauf achten Sie bei den jungen Talenten, die Sie nun beim Wien Welt Wettbewerb als Jurypräsident bewerten?
Malakhov: Als Tänzer, Intendant und Lehrer erkenne ich gleich, ob ein Tänzer so viel Talent hat, die Qualität in der Tanzwelt voranzubringen. Es ist wichtig, dass es nicht die Eltern sind, die die Kinder und Jugendliche vorantreiben. Das Kind muss mögen, was es tut: Wenn es gedrängt wird, wird es nicht funktionieren. Und: Nichts geht über klassische Ausbildung! Ich sage immer: Klassische Tänzer können moderne und neoklassische Choreografien tanzen, zeitgenössische Tänzer aber keine klassischen Ballette. In der heutigen Zeit verschiebt sich vieles hin zum zeitgenössischen Tanz und es werden zu wenig gute Talente geschaffen. Kleine, zeitgenössische Compagnien sind wie Sternschnuppen - zwei, drei Jahre nachdem sie aufgetaucht sind, gibt es sie nicht mehr. Die großen, klassischen Compagnien werden immer bleiben, weil sie eine Schule haben, professionelles Training und Intendanten, die wissen, was sie wollen.
APA: Erst im Jänner haben Sie eine eigene Stiftung gegründet. Was soll die „Malakhov Foundation“ beitragen?
Malakhov: Noch ist alles ganz neu, aber ich plane viele Projekte wie Meisterklassen und Förderprogramme. Am wichtigsten ist mir dabei, jene Kinder zu fördern, die nicht die Möglichkeit haben, ihre Träume zu verfolgen, weil ihre Familie keinen Zugang zu Tanz oder nicht die finanziellen Möglichkeiten hat. In weiterer Folge geht es auch darum, Tänzern zu helfen, die sich schwer verletzt haben, aber nicht für Operationen aufkommen können. Egal ob es um Rücken, Hüfte oder das Knie geht: so etwas geht ins Geld, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Und ein weiteres Projekt ist der erste internationale Ballettpreis, der „Taglioni“. Die erste Verleihung ist im September in Berlin, dann soll er alle zwei Jahre in einem anderen Land stattfinden. Auch für junge Choreografen wird es einen Wettbewerb geben, aber das ist noch nicht spruchreif.
APA: Gibt es auch Projekte in Ihrem Heimatland Ukraine?
Malakhov: Noch nicht, aber das habe ich noch vor.
APA: Nachdem Sie so viele Jahre in Moskau, Wien und Berlin verbracht haben: Gibt es einen Ort, den Sie Zuhause nennen?
Malakhov: Noch ist mein Zuhause in Berlin, davor war mein Zuhause die Welt, oder das Flugzeug (lacht). Aber auch wenn ich nach Wien komme, fühle ich mich daheim.
APA: Wie nehmen Sie die Krise in Ihrer Heimat aus der Ferne wahr? Haben Sie noch Familie in der Ukraine?
Malakhov: Ja. Ich verfolge natürlich die Geschehnisse, und es macht mich traurig, was da passiert. Heute Abend sollte mein Bruder aus Kiew anreisen, aber es ist nicht einfach, weil internationale Flüge gecancelt wurden. Seine Ehefrau und mein Neffe - der auch Vladimir Malakhov heißt - sind in Wien, weil er hier als Tennisspieler ausgebildet wird. Meine Mutter ist daheim in der Ukraine, weil mein Vater einen Schlaganfall hatte. Früher ist sie viel zu meinen Performances gereist, nun verbringt sie viel Zeit damit, ihn zu pflegen.
APA: Fühlen Sie sich zwischen den Stühlen, weil Sie in der Ukraine geboren sind, aber als junges Talent früh an die Moskauer Bolschoi-Ballettschule kamen und lange in Russland gelebt haben?
Malakhov: Nein. Ich habe zwar in Russland angefangen, habe viele Freunde dort und bin dankbar für meine erste Compagnie und alles, was sie für mich getan haben. Als Ukrainer mache ich mir Sorgen, aber was soll ich tun? Wenn ich das Leiden an vielen Orten sehe, von den vielen Toten höre, hoffe ich, dass es bald zu Ende ist. Ich verstehe nicht, wie dieser Konflikt entstehen konnte - es gibt so viele verschiedene Versionen, und man kennt nie die Wahrheit. Deshalb versuche ich mich zurückzuhalten und die Situation nicht zu kommentieren. Ich bin Künstler, kein Politiker.
(Das Gespräch führte Angelika Prawda/APA)
(S E R V I C E - Wien Welt Wettbewerb: 7. Internationaler Contest für Ballett und zeitgenössischen Tanz. Vorrunde 3 heute, Freitag, 18 Uhr im MuTh. Finale am Samstag, 26.7., um 19 Uhr im Volkstheater. Gala und Preisverleihung, moderiert von Peter Rapp, am Sonntag, 27.7., um 19 Uhr im Volkstheater. www.impulstanz.at)