Bühne

Das Böse hinter der Biederlichkeit

© Tiroler Festspiele Erl / APA-Fot

Tiroler Festspiele Erl: Gustav Kuhns musikalische und szenische Wiederaufnahme von Richard Wagners „Siegfried“.

Von Ursula Strohal

Erl –Der zweite Tag im „Ring des Nibelungen“ ist der beim Publikum am wenigsten geliebte, Längen sind hier besonders spürbar. Am Freitag im Erler Passionsspielhaus war in den Pausen davon zu hören. Und doch war diese Aufführung des „Siegfried“ voll von Überraschungen und Kuhn’schen Fingerzeigen. Geradezu markant arbeitet Gustav Kuhn den der langen zeitlichen Kompositionsunterbrechung geschuldeten stilistischen Bruch zwischen zweitem und drittem Aufzug heraus.

Im letzten Teil treibt er das Festspielorchester zur neuen Verdichtung und Klangarbeit an und zu einer Massivität, welche die bis dahin zu bewundernde Klangtransparenz opfert und den Sängern gefährlich nahe kommt. Dieses klangliche Brennglas nährte die Neugier auf die folgende „Götterdämmerung“.

Den Mime besetzt Kuhn nicht mit einem quäkenden Charaktertenor, sondern tenoral eher edel mit Wolfram Wittekind. Das nimmt der Rolle die Schärfe, verwandelt Zynismus in Humor, zeigt das Böse hinter vermeintlicher Biederlichkeit – der jugendliche Siegfried erkennt das instinktiv.

Verstärkt wird bei dieser Deutung, betont dadurch auch im Orchester, in einigen Passagen eine „Meistersinger“-Nähe, auch mit dem humorvollen David-Tonfall.

Szenisch sind in der „Siegfried“-Wiederaufnahme die bisher stärksten Veränderungen auszumachen. Die jeweils fünf aufgestellten Balken rechts und links der Bühne, die die Grundlage für ein Einheitsbild des „Ring“ bilden und durch die Möglichkeit der einzelnen Absenkung vielseitig einsetzbar sind, ersetzen hier die ursprünglichen Baumstümpfe.

Ebenfalls durchgezogen sind die naturholzfarbenen Faltarbeiten, die Fahrzeuge, Tiere usw. sowie Origami-Nähe meinen, aber wie dilettantische Basteleien anmuten. Fafner fährt mit so einem Gestell durch die Gegend, nicht nur Siegfried findet es lächerlich, damit zu kämpfen.

Der Junge kommt, gekleidet in abgetragenes Grau, mit einem variierte­n Ding angefahren, tritt nun nicht mehr wie einst in örtlicher Tracht aus der idealen Erler Landschaft. Andrea Cesari leiht ihm einen starken, großartige­n Hornruf. Ein abgeliebter Teddybär, immer in seiner Tasche, ist das Einzige, das Siegfried Gewissheit gibt, dass es mehr Menschlichkeit geben muss als den Giftmische­r Mime. Mit dem errungenen Ring am kleinen Finger schreitet er durch den Feuerkreis der Erler Kinder, um endlich vor Weiblichkeit das Fürchten zu lernen.

Da geht angesichts der erwachenden, von Nanc­y Weißbach mit Dauerlächeln zwischen den Strahletönen ihn umwerfenden Brünnhilde dem jungen Mann, den Michael Baba verheißungsvoll das Schwert schmieden ließ, ein wenig die Kraft aus.

Thomas Ghazeli war ein sehr viel besserer Alberich als Wanderer und ließ sich vor dem dritten Aufzug als indisponiert entschuldigen. Sinister ist Oskar Hillebrandt als Alberich, angemessen Bianca Tognocchi als Stimme des Waldvogels, schön und stimmlich.

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