Wolken über dem Konjunkturhimmel

Berlin (APA/dpa) - Die Skepsis ist zurück. Noch vor wenigen Monaten rechneten Konjunkturforscher mit einem ungebremsten und anhaltenden deut...

Berlin (APA/dpa) - Die Skepsis ist zurück. Noch vor wenigen Monaten rechneten Konjunkturforscher mit einem ungebremsten und anhaltenden deutschen Aufschwung mindestens bis ins Jahr 2015. Inzwischen verdüstern sich die Aussichten - und mit ihnen die Stimmung in den Unternehmen. Der Ifo-Index gab im Juli bereits zum dritten Mal in Folge nach, und das deutlicher als erwartet.

Mit dem mutmaßlichen Abschuss eines Flugzeuges über der Ukraine und dem Gazakonflikt bedrohen zwei geopolitische Risiken die Weltwirtschaft, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) im jüngsten Ausblick feststellt. Die wichtigsten Gefahren, die auch die deutsche Wirtschaft treffen könnten:

UKRAINE: Der Konflikt eskaliert. Nach den USA denkt auch die EU über handfeste Wirtschaftssanktionen gegen Russland nach. Damit würde ein wichtiger Handelspartner getroffen, der immerhin 3 Prozent der deutschen Exporte abnimmt. Besonders besorgt sind Firmen, die den Rohstoffgiganten mit Maschinen und Anlagen versorgen. Gesamtwirtschaftlich dürften die Folgen von Sanktionen spürbar, „wenngleich wohl verschmerzbar“ sein, meinen die Volkswirte der HypoVereinsbank. Gefahren bestehen, wenn Energielieferant Russland zurückschlägt. Die Besorgnis in der Wirtschaft wächst.

GAZA-KONFLIKT: Weniger direkt wären die Auswirkungen einer Eskalation im Nahen Osten. Kriege im Nahen Osten heizen die Spekulation am Rohölmarkt an, wegen der bedeutenden Öllieferanten in der Region. Explodierende Ölpreise wären aber Gift für die Konjunktur. Sie würden die Kosten der Wirtschaft erhöhen. Zugleich heizen sie das Preisniveau an, was den Konsum der Verbraucher drücken kann. Wirtschaftsforscher gehen allerdings davon aus, dass sich der Zusammenhang zwischen Ölpreisänderungen und dem Wirtschaftswachstum abgeschwächt hat. Eine weltweite Rezession, wie während der Ölkrise 1973/74, wäre so heute nicht mehr denkbar.

EURO-STÄRKE: Mit seinem aktuellen Niveau von rund 1,35 Dollar ist der Eurokurs zwar weit von seinem Rekord von fast 1,60 Dollar (2008) entfernt. Dennoch: Kaum ein exportorientiertes Unternehmen, das derzeit nicht über negative Folgen klagt. Wegen der anhaltenden Euro-Stärke mehrten sich zuletzt die Rufe und Forderungen aus der Politik, die europäische Gemeinschaftswährung zu schwächen, um damit wiederum die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Vor allem die stark vom Export abhängigen Unternehmen kämpften zuletzt mit teils deutlichen Umrechnungsverlusten.

EURO-SCHULDENKRISE: Gut vier Jahre nach dem Ausbruch scheint die Schuldenkrise gezähmt. Mit Griechenland und Zypern sind nur noch zwei der einst fünf Krisenländern unter dem Rettungsschirm. Gebannt ist die Gefahr angesichts nach wie vor horrender Staatsschulden aber noch längst nicht. Angesichts des Erfolges euroskeptischer Parteien bei der Europawahl könnten Regierungen zudem versucht sein, bei ihren Sparbemühungen nachzulassen. Die Volkswirte der Deutschen Bank meinen, die Politik sei nur in Existenzkrisen zu unpopulären Maßnahmen bereit, um die Chance auf die künftige Wettbewerbsfähigkeit ihres Landes zu sichern. „Klingt der finanzielle Druck jedoch ab, wird ein Blut-Schweiß-und-Tränen-Ansatz möglicherweise weniger erträglich - vor allem dann, wenn das Volk bereits von einer jahrelangen Sparpolitik erschöpft ist.“

NEUE FINANZKRISE: Die Notenbanken machen Geld so billig wie nie. Eine der Folgen: An Aktien- und Immobilienmärkten klettern die Preise auf Rekordhöhen. Schon machen wieder Warnungen vor „Preisblasen“ die Runde, also vor spekulativ überhöhten Preisen, die vom eigentlichen Wert weit entfernt sind. Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard warnt denn auch angesichts der lockeren Geldpolitik vor einer neuen Finanzkrise. „Aus unserer Sicht verlieren die Waffen der Geldpolitik an Wirksamkeit“, sagt er. „Es kommt der Punkt, an dem sie schlimmere Nebenwirkungen bekommen, als sie an Hauptwirkung überhaupt noch erzielen können.“ Am Ende werde es wie in den Jahren 2007 und 2008 um Vertrauen in die Märkte und ihre Akteure gehen. Eine Krise hält er bei der Kreditvergabe für denkbar: „Wer eine Kreditverlängerung braucht, kriegt dann kein Geld mehr.“