Kosovo - Innenpolitische Spannungen vor EU-Bericht über Kosovo-Krieg
Pristina (Prishtina) (APA) - Im Kosovo wartet man seit Tagen gespannt auf kommenden Dienstag. Der von der EU eingesetzte US-Staatsanwalt Joh...
Pristina (Prishtina) (APA) - Im Kosovo wartet man seit Tagen gespannt auf kommenden Dienstag. Der von der EU eingesetzte US-Staatsanwalt John Clint Williamson soll dann in Brüssel seine dreijährigen Ermittlungen über die während des Kosovo-Krieges und kurz danach von Angehörigen der kosovo-albanischen „Befreiungsarmee“ (UCK) angerichteten Kriegsverbrechen präsentieren. Medien spekulieren über Anklagen gegen Spitzenpolitiker.
Unter Berufung auf informierte Kreise meldeten Medien am Dienstag, dass Williamson bei seinem dieswöchigen Besuch in Prishtina Kriegsverbrechen-Anklagen gegen etwa zehn UCK-Angehörige in Aussicht gestellt habe. Die Vorwürfe betreffen Morde an Zivilisten sowie Folter und Inhaftierungen unter unmenschlichen Bedingungen. Für eine Anklage wegen Organhandels konnte Willamson laut der kosovarischen Tageszeitung „Koha Ditore“ nicht genügend Beweise sammeln.
Der Name des früheren Ministerpräsidenten und amtierenden Chefs der Oppositionspartei Allianz für die Zukunft (AAK), Ramush Haradinaj, tauchte immer wieder in Zusammenhang mit den Ermittlungen auf. Die Gerüchte würden vom amtierenden Premier Hashim Thaci geschürt, der dadurch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von tagespolitischen Fragen ablenken wolle, wies Haradinaj die Vorwürfe gegenüber der Tageszeitung „Zeri“ zurück. Wegen Kriegsverbrechen-Vorwürfe hatte sich der einstige regionale UCK-Kommandant im Westen des Kosovo bereits vor Jahren vor dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien zu verteidigen. Er wurde in einem zum Teil wiederholten Prozess im November 2012 freigesprochen.
Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen am 8. Juni sind sowohl Thaci, dessen Demokratische Partei (PDK) den Urnengang gewonnen hatte, wie auch Haradinaj um den Posten des Ministerpräsidenten bemüht. Diese Woche hat sich die politische Situation weiter verschärft. Denn das Verfassungsgericht setzte die kürzliche Wahl von Isa Mustafa, dem Chef der oppositionellen Demokratischen Liga (LDK), zum Parlamentspräsidenten auf Anfrage von PDK-Abgeordneten vorübergehend aus.
Die AAK, die LDK und die Partei „Initiative“ hatten gleich nach den vorgezogenen Wahlen ein Bündnis mit dem Ziel gebildet, die neue Regierung zu bilden. Im Parlament, wo die drei Parteien einen gemeinsamen Klub haben, sind sie mit 47 Sitzen vertreten, der Wahlsieger PDK hat nur 37 Mandate. Die Opposition behauptet, dadurch die stärkste Parlamentskraft geworden zu sein, die den Anspruch auf das Amt des Parlamentspräsidenten hat. Premier Thaci sieht das anders und bezeichnete die Wahl Mustafas als „vollkommen illegal“.
Der Konflikt rund um die Eingliederung des mehrheitlich von Serben bewohnten Nordens geht unterdessen weiter. In Nord-Mitrovica entstehe eine Thujen-Demokratie, die die Trennung des Nordens vom Rest des Landes nur noch vertiefe, heißt es unter Beobachtern. Gemeint sind damit jene Thujen-Bäume, die ortsansässige Serben auf einer Brücke über den Ibar-Fluss gepflanzt hatten und mit diesem „Friedenspark“ diesen Verkehrsweg blockierten. Die Brücke trennt den serbischen Norden vom albanischen Süden.
Gespräche der kosovarischen Vize-Regierungschefin Edita Tahiri und des Chefs des serbischen Regierungsbüros für den Kosovo, Marko Djuric, in Brüssel blieben ohne Ergebnisse. Sowohl Tahiri wie auch Djuric hatten nach den Treffen am Dienstag ihrer Gespräche ganz anders gedeutet. Was wirklich fehlt ist wohl die Einschaltung der Ministerpräsidenten. Im Kosovo wird man auf einen neuen Amtsinhaber aber womöglich noch bis spät in den Herbst warten müssen. Auch Neuwahlen werden nicht gänzlich ausgeschlossen.
Die Bürgermeister der vier nord-kosovarischen serbischen Gemeinden lehnten unterdessen Finanzmittel in Höhe von mehr als zwei Millionen Euro, die ihnen aus einem Fonds für den Norden von Prishtina zu Verfügung gestellt wurden. Seine Bildung war zwischen Belgrad und Prishtina im Brüsseler Abkommen vor einem Jahr vereinbart worden.