Bürgermeister bei Anschlägen getötet, Kriegssteuer im Gespräch
In der Ukraine ist eine Kriegssteuer von 1,5 Prozent auf Einkommen im Gespräch. Bei Anschlägen auf Bürgermeister ist am Freitag der Stadtchef von Krementschug erschossen worden.
Kiew/Moskau - Das ukrainische Parlament plant angesichts der Regierungskrise in Kiew und des blutigen Konflikts im Osten des Landes am Donnerstag (31. Juli) eine Sondersitzung. Dabei könnte auch ein Verbleib des eigentlich zurückgetretenen Regierungschefs Arseni Jazenjuk im Amt beschlossen werden, wie Medien in Kiew am Samstag berichteten.
Präsident Petro Poroschenko äußerte in Kiew die Hoffnung, dass Jazenjuk seine Krisenarbeit fortsetze. Der Regierungschef hatte seinen Rücktritt am Donnerstag auch mit seinem Ärger über die Arbeit des Parlaments begründet. Der als Interimsregierungschef eingesetzte Wladimir Groisman würde dann nach eigenen Angaben seinen Posten wieder räumen.
Die Oberste Rada in Kiew soll nun erneut versuchen, unter anderem Änderungen im Staatshaushalt sowie bei der Erhebung von Steuern zu beschließen. Die Gesetze bedeuten massive Mehrausgaben für die Bürger der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik. Ursprünglich hatte das Parlament erst am 12. August wieder tagen sollen.
Kriegssteuer im Gespräch
In der Ukraine ist Medien zufolge auch eine Kriegssteuer von 1,5 Prozent auf Einkommen im Gespräch. Damit soll der Kampf des Militärs gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine finanziert werden. Jazenjuk hatte beklagt, dass das Geld bisher nicht einmal zum Betanken der Panzer reiche.
Mit seinem Rücktritt habe er darauf hinweisen wollen, dass das „Parlament es ablehnt, die ukrainischen Streitkräfte zu unterstützen, dass das Parlament es ablehnt, Krieg zu führen und wirklich um den Osten zu kämpfen, dass das Parlament denen keine Steuern auferlegen will, die diese Abgaben leisten können“, sagte Jazenjuk.
Bürgermeister getötet
Am Freitag kam es in der Ukraine zu Anschlägen auf Bürgermeister zweier Städte. In der zentralukrainischen Stadt Krementschug am Dnjepr ermordeten Unbekannte den Bürgermeister Oleg Babajew mit drei Schüssen, wie örtliche Medien berichteten. Angaben zum Hintergrund der Bluttat gab es zunächst nicht.
In der westukrainischen Metropole Lwiw (Lemberg) wurde am Freitagabend das Haus von Bürgermeister Andrej Sadowy mit einem Granatwerfer beschossen. Den Angaben nach wurde niemand verletzt. Der parteilose Sadowy gilt als einer der einflussreichsten Politiker in der Westukraine.
Wieder Tote bei Gefechten im Osten
Die Gefechte in den Regionen Luhansk (Lugansk) und Donezk dauerten an. Bei einem Beschuss durch Granatwerfer der ukrainischen Armee seien in Luhansk 15 Zivilisten getötet und etwa 60 verletzt worden, teilten die prorussischen Separatisten mit. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht.
Die Rada soll außerdem erneut über den im Land umstrittenen Verkauf des Gasleitungsnetzes an ausländische Investoren entscheiden. Einer von Staatschef Poroschenko in Kiew veröffentlichten Mitteilung zufolge geht es bei der Sitzung auch um die Ermittlungen zum Absturz der malaysischen Passagiermaschine am 17. Juli in dem Bürgerkriegsgebiet. Beschlossen werden soll unter anderem der Einsatz von Polizeikräften an der Absturzstelle.
Noch immer Leichenteile am Absturzort von MH17
Fast 300 Menschen waren bei dem mutmaßlichen Raketen-Beschuss von Flug MH17 um Leben gekommen. Die Ukraine und die prorussischen Separatisten geben sich gegenseitig die Schuld an der Tragödie.
Am Absturzort Grabowo nahe der umkämpften Stadt Donezk ging die Bergung von Wrackteilen der Boeing 777-200 weiter. Es würden noch immer Leichenteile gefunden, sagte Separatistenführer Sergej Kawtaradse in der nicht anerkannten „Volksrepublik Donezk“ der Agentur Interfax zufolge. An der Absturzstelle seien internationale Spezialisten im Einsatz.
Im Beisein von Angehörigen sind die vorläufig letzten Maschinen mit Opfern desFlugzeugabsturzes in der Ostukraine im niederländischen Eindhoven gelandet. Zwei Militärmaschinen aus Australien und den Niederlanden mit insgesamt 38 Särgen kamen am Samstag auf dem Flughafen an. Es war der vierte Transport in Folge aus dem ukrainischen Charkow.
Insgesamt sind nun 227 Särge mit menschlichen Überresten des abgestürzten Fluges MH17 in den Niederlanden. Um wie viele Opfer es dabei geht, ist nicht ganz klar. Erst beim Öffnen der Leichensäcke können das die forensischen Experten feststellen. Die niederländische Regierung rechnet damit, dass sich an der Absturzstelle noch weitere Opfer befinden. Um ihre Bergung zu ermöglichen, trafen am Samstag in Charkow auch 40 unbewaffnete niederländische Militärpolizisten ein.
Alle 298 Opfer des Absturzes sollen in Hilversum bei Amsterdam identifiziert werden. Die meisten Opfer waren Niederländer. (APA/dpa)