Salzburger Festspiele: Bruckner mit Ersatzmann in Hochform

Salzburg (APA) - Die Nachricht am 5. Juli wirkte enttäuschend: Riccardo Chailly hat abgesagt, Herbert Blomstedt wird einspringen und in Bruc...

Salzburg (APA) - Die Nachricht am 5. Juli wirkte enttäuschend: Riccardo Chailly hat abgesagt, Herbert Blomstedt wird einspringen und in Bruckners Achter Symphonie in c-Moll am Pult der Wiener Philharmoniker stehen. Aber gestern, Samstagabend, im Großen Festspielhaus erwies sich Blomstedt als weit mehr als nur Ersatzmann: Der 87-Jährige dirigierte die Wiener zu einer grandiosen Achten und erntete Riesenapplaus.

Blomstedt war ein Glücksgriff. Zum einen, weil er sich in jüngster Vergangenheit extrem viel mit Bruckners symphonischem Werk beschäftigt hat. Die Gesamtaufnahme mit dem Gewandhausorchester Leipzig ist erst ein Jahr alt und wurde mit einem „International Classical Music Award“ ausgezeichnet. Er hat es also im Kopf, dieses 80-minütige Mammutwerk, und fand in allen vier Sätzen eher langsame, moderate oder feierliche, aber nie schleppende Tempi. Genau wie Bruckner es geschrieben hat.

Zum anderen ist der Funke gesprungen vom Dirigenten zu den Musikern und zurück. Blomstedt dirigierte auswendig und gab unzählige Einsätze mit Blicken, Fingern, Händen und Armen. Die Philharmoniker reagierten auf ihren schwedisch-amerikanischen Maestro und spürten den großen Bogen in Bruckners längster Symphonie. Jeder einzelne Musiker riskierte, gab alles und ging aufs Ganze.

Nicht dass dabei technisch alles geklappt hätte, auch Blomstedt werden kaum mehr als zwei Proben für dieses Werk zugestanden worden sein. Also hier einmal ein Kiekser eines Blechbläsers, und dort ein Streicher, dem ein Ton in die Pause rutschte. Aber selten schien das so egal.

Denn alle auf dem Podium schienen den Kopf freizuhaben für Bruckners emotionale Tiefe, für deren Verwandlung in Töne die scheinbaren Nebensächlichkeiten der Partitur unverzichtbar sind. Man zelebrierte das Bombastische ohne instrumentales Gebrüll, man fand Zeit und Ruhe für die leisen, filigranen Passagen ohne zäh in Sentimentalität zu versanden. Und so wurde die zweite Fassung dieser nach erheblichen Anfangsschwierigkeiten schon bei der Uraufführung 1892 euphorisch gefeierten Achten Symphonie auch Samstagabend zu einem Fest des Klangs.

Der Applaus des Salzburger Festspielpublikums war liebevoll und begeistert. Vielleicht auch aus Bewunderung für die Vitalität des 87-Jährigen, der federleicht aufs Podium sprang und konzentrierter bei der Sache schien, als manch halb so alter Musiker. Vor allem aber für einen mitreißenden Bruckner mit einem grandiosen Orchester.