Bayreuther Publikum versöhnt sich mit „Fliegendem Holländer“
Bayreuth (APA/dpa) - Das Bayreuther Publikum und Jan Philipp Glogers „Fliegender Holländer“ werden immer bessere Freunde. Im Premierenjahr 2...
Bayreuth (APA/dpa) - Das Bayreuther Publikum und Jan Philipp Glogers „Fliegender Holländer“ werden immer bessere Freunde. Im Premierenjahr 2012 noch mit einem Buh-Konzert bedacht, hat das Publikum inzwischen Gefallen gefunden an der Interpretation. Möglicherweise liegt das daran, dass Gloger einfach die Geschichte erzählt.
Bei den Richard-Wagner-Festspielen, die in diesem Jahr von einem Biogasanlagen-“Tannhäuser“ und Frank Castorfs „Ring des Nibelungen“ dominiert werden, ist das nämlich eine Seltenheit. Das als traditionsbewusst geltende Bayreuther Publikum goutiert so etwas.
Als allzu werktreu, musterknabenhaft sogar, war die Inszenierung, die den „Holländer“ in einer Ventilator-Fabrik und damit im halbwegs modernen Turbokapitalismus ansiedelt, in ihrem ersten Jahr kritisiert worden. Im Jahr drei scheint das von den Zuschauern zumindest niemanden mehr zu interessieren. Zu schön ist es für viele wohl, dass das Bühnenbild einen Tag nach der Biogasanlage tatsächlich schön aussieht.
Denn auch wenn es sicher schon progressivere Interpretationen gegeben hat - Gloger hat sich auseinandergesetzt mit Wagners Oper, hat ihr einen eigenen Stempel aufgesetzt, ohne die Geschichte zu verraten. Er zeigt den Holländer und seine Senta als leidenschaftlich liebende Individuen in einer uniformen Welt, in der die Männer des Chors zu Fratzen in hellen Anzügen und die Chor-Frauen zu schönen Anhängseln in hübschen Kleidchen erstarrt sind.
Die Spinnstube wird bei Gloger zu einer Ventilatorenfabrik - fast ein Hohn für die im Parkett schwitzenden Zuschauer. Das Schiff ist nur ein kleines Ruderboot und Schatztruhen voller Gold werden durch Dollarscheine ersetzt - alles eingebettet in die unübersichtlichen Datenbahnen des World Wide Web, die das Bühnenbild bestimmen.
Im Jahr drei der Inszenierung denkt niemand mehr an den Skandal von 2012. Damals war kurz vor den Festspielen herausgekommen, dass der als „Holländer“ besetzte Jewgeni Nikitin ein mittlerweile überstochenes Hakenkreuz-Tattoo aus Jugendzeiten auf dem Oberkörper trägt. Im Bayreuth von 2012 war das nicht gern gesehen und nach einer hitzigen öffentlichen Debatte warf der Sänger das Handtuch. Für ihn sprang damals Samuel Youn ein, der auch heute noch den „Holländer“ gibt - wenn auch längst nicht so stimmgewaltig wie Ricarda Merbeth als Senta. Sie, Benjamin Bruns als Steuermann und Kwangchul Youn als Daland werden frenetisch gefeiert. Ihnen allen merkt man - wie der ganzen Inszenierung - den Spaß am Spiel an.
Ein wahrer Sturm aber bricht los, als Dirigent Christian Thielemann sich auf der Bühne zeigt und für seine stürmische Orchesterführung bejubelt wird. Der Unterschied zum „Tannhäuser“ mit Axel Kober am Pult könnte größer kaum sein. Nachdem Thielemann die See aus dem Orchestergraben so gewaltig hat aufbranden lassen, fällt es schwer zu glauben, dass es die gleichen Musiker sind, die Kober brav, unauffällig, fast langweilig, durch den „Tannhäuser“ führte.
Für viele Bayreuther Wagner-Fans dürfte der erzählerische „Holländer“ eine willkommene Abwechslung gewesen sein - und eine Verschnaufpause. Am Sonntag sollte dann auch die Zeit für Castorf und seinen „Ring“ anbrechen.