Flug MH17 - Niederländische Experten auf Weg in Ostukraine

Kiew/Moskau (APA/AFP/dpa/Reuters) - Nach einer Einigung mit den prorussischen Separatisten hat sich ein niederländisches Expertenteam auf de...

Kiew/Moskau (APA/AFP/dpa/Reuters) - Nach einer Einigung mit den prorussischen Separatisten hat sich ein niederländisches Expertenteam auf den Weg zur Absturzstelle des malaysischen Passagierflugzeugs im umkämpften Osten der Ukraine gemacht. Die 30 Gerichtsmediziner würden gegen Mittag bei Grabowe eintreffen, teilte das Justizministerium in Den Haag am Sonntag mit.

Während die ersten Angehörigen die Absturzstelle besuchten, wurde in den Niederlanden das erste der 298 Opfer identifiziert. Nach Angaben des niederländischen Justizministeriums erreichte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine Einigung mit den Separatisten über den Zugang zur Absturzstelle.

Die Boeing 777 der Malaysia Airlines war am 17. Juli auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur mit 298 Menschen an Bord abgestürzt. Es gab keine Überlebenden. Die Regierung in Kiew und die westlichen Staaten werfen den Separatisten vor, sie mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen zu haben.

Bisher gibt es dafür keine Beweise, dass die Boeing 777 abgeschossen wurde. Es ist auch nicht erwiesen, wer hinter einem eventuellen Abschuss stecken könnte und welche Umstände möglicherweise dazu geführt haben. Die Flugschreiber wurden von den Separatisten übergeben. Sie werden in Großbritannien ausgewertet.

Malaysia teilte am Sonntag mit, die Separatisten hätten zugesagt, ausländische Polizisten zum Schutz der Ermittler an den Absturzort zu lassen. Die Untersuchung wird von den Niederlanden geleitet, da 193 der 298 Opfer Niederländer waren. Australien will sich ebenfalls daran beteiligen. Regierungschef Tony Abbott betonte, es handle sich um eine humanitäre Mission. Ihr einziges Ziel sei es „unsere Toten zu bergen und nach Hause zu bringen“. Aus Australien stammten 28 Opfer.

Der Kreml teilte mit, Abbott habe mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine „unabhängige und objektive internationale Untersuchung“ gesprochen. Die australische Außenministerin Julie Bishop sagte bei einem Besuch in Amsterdam, einige der 190 Polizisten, die im Zuge der Untersuchung in die Ukraine geschickt werden sollen, würden zum Schutz der Ermittler und Experten bewaffnet sein. Auch sie betonte, es gehe nur um die Bergung der verbleibenden Opfer.

Das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete unterdessen unter Berufung auf deutsche Regierungskreise, das Auswärtige Amt strebe eine zeitlich und inhaltlich begrenzte Polizeimission der Vereinten Nationen zur Aufklärung des Absturzes an. Das Ministerium führe dazu Gespräche mit den Niederlanden und mit Australien. Für eine derartige Mission sei allerdings ein Beschluss des UN-Sicherheitsrats notwendig. Russland verfügt in dem Gremium über ein Vetorecht. Zur Untersuchung des mutmaßlichen Abschusses der malaysischen Passagiermaschine entsendet Russland vier Luftverkehrsexperten.

Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) sieht nach einem „Spiegel“-Bericht vor dem Hintergrund der Sanktionen gegen Russland Anzeichen für ein Machtgerangel in der Moskauer Führung. Anders als noch zu Beginn der Ukraine-Krise erwartet, schienen sich Brüche im Machtblock von Präsident Wladimir Putin zu zeigen.

Die Separatisten teilten am Sonntag mit, ein Zug mit dem Gepäck aus dem Flugzeug sei an niederländische Vertreter übergeben worden. 227 Leichen wurden bereits in den vergangenen Tagen zur Identifizierung in die Niederlande überführt, wo am Wochenende das erste Opfer identifiziert wurde. Am Absturzort liegen aber weitere Opfer. Zwar gilt an der Absturzstelle eine Waffenruhe, aber im nur 60 Kilometer entfernten Donezk wird weiter heftig gekämpft.

Erstmals seit dem Absturz gelangten Angehörige eines der Opfer an die Unglücksstelle. Jerzy Dyczynski und Angela Rudhart-Dyczynski aus Australien legten dort am Samstag Blumen nieder. Ihre 25-jährige Tochter Fatima, die in den Niederlanden Luftfahrttechnik studierte, kam bei dem mutmaßlichen Abschuss der Boeing durch prorussische Separatisten ums Leben. „Sie war voller Leben“, sagte die Mutter über ihr einziges Kind.

Bei der Frage nach verschärften Sanktionen gegen Russland sind wirtschaftliche Interessen Deutschlands nach Ansicht von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nachrangig. „Tatsache ist: Der Rubel verliert an Wert, das Budgetdefizit Russlands steigt, die wirtschaftliche Entwicklung ist schlecht. Das sieht auch der russische Präsident“, sagte Schäuble der „Bild am Sonntag“. Schäuble fügte hinzu: „Niemand in Moskau darf den Eindruck gewinnen, Russland könne mit seinem Vorgehen am Ende erfolgreich sein.“ Um das zu erreichen, sei auch „die Verlässlichkeit der NATO zu betonen“.

Der umstrittene Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, machte sich indes über die EU-Sanktionen gegen ihn lustig. Weil die Europäische Union am Samstag ein Einreiseverbot erlassen hat, verhängte er seinerseits Strafmaßnahmen gegen US-Präsident Barack Obama und führende europäische Politiker.

Der stellvertretende Bundesparteiobmann und Klubobmann der Wiener FPÖ, Johann Gudenus, warnte in einer Aussendung am Sonntag vor einer Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland. „Noch bevor alle Umstände des tragischen Ereignisses restlos aufgeklärt werden, prescht die EU mit Maßnahmen voran, die der europäischen Wirtschaft sowie den Beziehungen zu Europas wichtigem Handelspartner nachhaltig schaden können. (...) Wo ist der Beweis für einen Kausalzusammenhang zwischen Russland und dem schrecklichen Verbrechen des Abschusses“, fragt Gudenus.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Dienstag in der ZiB2 gemeint: „Die Indizien und Beweise, die vorliegen zeichnen schon ein klares Bild, dass hier anscheinend russisches Gerät zum Einsatz gebracht worden ist. Und dass die Separatisten die letzten Wochen und Monate über von russischer Seite Unterstützung erhalten haben, Waffenlieferungen erhalten haben, das steht leider auch außer Streit. Insofern ist hier eigentlich klar in Europa, dass durch diesen Abschuss der Maschine, die von den Separatisten in der Ukraine abgeschossen worden ist, dass hier der Konflikt eine ganz neue Dimension eingenommen hat.“